Der erste Schritt zur Gewaltprävention ist, sich dem Problem Gewalt zu stellen, d.h. anzuerkennen, dass auch in der eigenen Schule Gewalt vorhanden ist und Handlungsbedarf besteht.
Bereits bei der Auseinandersetzung, was als Gewalt in der Schule bzw. der jeweiligen Einrichtung verstanden werden soll, konkurrieren verschiedene Perspektiven und Weltsichten um die Interpretation der vorfindbaren Situation.
Die Materialien in diesem Kapitel wenden sich vor allem an Lehrkräfte und Eltern und sollen notwendige Klärungsprozesse unterstützen.
1. Das Problem erkennen
Als im März 2006 die Lehrkräfte der Rütlischule in Berlin einen Hilferuf in Form eines offenen Briefes verschickten, sprachen viele von einer pädagogischen Bankrotterklärung (M1). In Wirklichkeit war es die Einsicht, Hilfe von Außen zu benötigen, die Probleme nicht mehr alleine bewältigen zu können.2. Welche und wieviel Gewalt ist sichtbar?
M2 ermöglicht eine erste Zu- und Einordnung verschiedener Phänomene als (eher) Gewalt oder (eher) keine Gewalt. Dies kann mit Hilfe einer Skalierung auf dem Boden und (gemeinsames) Zuordnen der auf Karten übertragenen Begriffe geschehen.
Einen schulspezifischen Gewaltbegriff versucht Horst Kasper zu formulieren (M3). Die dabei definierten Gewaltformen sollten kritisch hinterfragt werden, um daran das eigene Gewaltverständnis zu schärfen.
Die Daten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (M4) verdeutlichen, wie sich das meldepflichtige Gewaltvorkommen an Schulen seit 1995 entwickelt hat und wie dabei nach Schulformen, Alter, Geschlecht und Veranstaltungsform unterschieden werden muss.
Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler haben unterschiedliche Gewaltbegriffe (M5), deren Ursachen und Auswirkungen zu klären wären. Eine Einigung auf ein gemeinsames Grundverständnis von Gewalt wäre erstrebenswert.
Grundsätzliche Fragen
- Gibt es ein gemeinsames Gewaltverständnis der Lehrkräfte?
- Welche Gewalt ist gemeint?
- Wo wird Gewalt verortet?
- Wo taucht Gewalt in welchen Formen auf?
- Von wem geht diese Gewalt aus?
- Von wem wird diese Gewalt als Problem empfunden?
- Ist Gewalt gänzlich tabuisiert?
- Welche Ziele sollen durch Gewalt erreicht werden?
- Welche Funktionen erfüllt Gewalt?
- Welche Alternativen werden angeboten?
- Was wäre anders, wenn die Gewalt nicht vorhanden wäre?
- Woran würde man dies erkennen?
3. Gewaltvorkommen/Bestandsaufnahme
Um sinnvolle gewaltpräventive Maßnahmen entwickeln zu können, ist es unabdingbar, eine Bestandsaufnahme der Situation vor Ort durchzuführen (M6, M7) und die erhobenen Daten detailliert (am besten mit externen Fachleuten) auszuwerten. Die Interpretation dieser Daten sowie die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen ist dabei der schwierigste Schritt (vgl. Kap. 2.5).4. Risikofaktoren – was begünstigt Gewaltentstehung in der Schule?
M8 thematisiert einen ersten überblick über Risikofaktoren von Gewalt an Schulen. Diese werden in weiteren Kapiteln dieses Bandes in vielfältiger Weise vertieft und ausdifferenziert.
Für die Schule ist dabei insbesondere die Identifizierung der „hausgemachten“ Einflüsse zentral, da hier der Einflussbereich am größten ist. Dabei spielt u.a. das Verhalten der Lehrkräfte sowie die Qualität des Lehrer-Schüler-Verhältnisses eine nicht zu unterschätzende Rolle (M9, ausführlich im Kap. 2.5).
5. Wo und wie Schülerinnen und Schüler Gewalt erleben
Das Ausmaß und die Qualität der Gewalt an Schulen lässt sich nur unter Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler feststellen. Diese sollen deshalb über wahrgenommene und/oder erlebte Gewalt berichten (M10, M11). Es ist dabei sinnvoll, alle Klassen einzubeziehen.