Demokratiepädagogik in der Schule umfasst „pädagogische, insbesondere schulische und unterrichtliche Aktivitäten zur Förderung von Kompetenzen, die Menschen benötigen,
- um an Demokratie als Lebensform teilzuhaben und diese aktiv in Gemeinschaft mit anderen Menschen zu gestalten;
- um sich für Demokratie als Gesellschaftsform zu engagieren und sie durch partizipatives Engagement in lokalen und globalen Kontexten mitzugestalten;
- um Demokratie als Regierungsform durch aufgeklärte Urteilsbildung und Entscheidungsfindung zu erhalten und weiter zu entwickeln“ (Edelstein 2007, S.3).
Demokratiepädagogik realisiert sich nicht im Faktenlernen über Demokratie (also auf der Wissensebene – so wichtig diese ist), als vielmehr in der lebendigen demokratischen Teilhabe (der Erfahrungs- und Handlungsebene) in der Schule. Hierzu gehören eine kritische Diskussionskultur ebenso wie Instrumente der Mitentscheidung und die Frage des Umgangs mit Minderheiten. Denn Demokratie muss gelebt werden, um gelernt werden zu können (Himmelmann 2007, S. 276).
Der Kern Demokratie besteht nicht daraus, dass die Mehrheit wählt, sondern sie definiert sich durch individuelle Rechte, die nicht durch Kollektivinteressen aufgewogen werden dürfen. Das beruht auf der Idee der autonomen Lebensgestaltung, die im alltäglichen Prozess ernst genommen werden und dem Menschen Gestaltungsmöglichkeiten geben muss. Wenn aber jeder seine Interessen optimiert, ist das schlecht, es geht darum, sich auf ein gemeinsames Projekt zu einigen, es geht um Kooperation, das ist der Kern bürgerschaftlichen Engagements.
Vgl. Julian Nida-Rümelin: Prüfungen für die Stadtgesellschaft. In: Frankfurter Rundschau,25.4.2008, S. 11.
Die Schulkonferenz
Die Regelungen für die Zusammensetzung der Schulkonferenz sind in den Schulgesetzen und zusätzlichen Verordnungen der Länder festgelegt. Jedes Land bestimmt selbst, wie die Schulkonferenz organisiert und wie die Entscheidungsmacht zwischen den Konferenzmitgliedern verteilt sein soll.
In den meisten Ländern sind Schüler, Eltern und Lehrer zu gleichen Teilen stimmberechtigt. Man spricht dann von einer Drittelparität. Bei einer paritätischen Verteilung besitzt die Gesamtheit der teilnehmenden Schüler und Eltern genauso viele Stimmen wie die Gesamtheit der teilnehmenden Lehrer. In Berlin und Hamburg besitzt die Gruppe der Lehrkräfte ein stimmberechtigtes Mitglied mehr als die Gruppen der Eltern und der Schüler. Sie haben also ein relatives Stimmenübergewicht. In einigen Ländern besitzt die Gruppe der Lehrer sogar ein absolutes Stimmenübergewicht, sodass sie bei einheitlicher Abstimmung nicht von der Gesamtheit der Schüler- und Elternvertreter überstimmt werden kann. www.kosmokrator.info/bundesquest/webquest_1/index.php?page=rolle&PH PSESSID=3r13vmt0kj07p97t6f4g17qid7 <18.5.2009>
Die Praxis entscheidet Lehrerinnen und Lehrer können so viele Unterrichtseinheiten über demokratisches Verhalten, soziale Verhaltensweisen und ein entsprechendes Miteinanderumgehen machen, wie sie wollen – wenn die damit verbundenen Ansprüche und Ziele sich weder in den Verhaltensweisen der an Schule direkt Beteiligten noch in den gestaltbaren Formen schulischer Arbeit widerspiegeln, wenn sie also durch die schulische Praxis nicht belegt und beglaubigt werden, bewirken sie das Gegenteil dessen, was sie erreichen wollen.
Heinz Schirp: Werteerziehung und Schulentwicklung. Beiträge zur Demokratiepädagogik. Berlin 2004, S. 5.
Lerngelegenheiten
Wolfgang Edelstein (2007, S. 3) benennt drei Lerngelegenheiten, die zum Erwerb demokratischer Kompetenzen und zur Entwicklung demokratischer Schulqualität beitragen:
1. Zum Erwerb von Kenntnissen und zur Aneignung von Wissen als Grundlage für Urteils- und Entscheidungsfähigkeit
Dies ist vor allem die Aufgabe des politischen Unterrichts in fachlichen, fächerübergreifenden und projektdidaktischen Kontexten.
2. Zum Erwerb von Kompetenzen für demokratisches Handeln
Dies ist vor allem die Aufgabe einer schulischen Lernkultur, die durch die Gestaltung des Schullebens und durch Kooperation mit dessen Akteuren sowie mit außerschulischen Partnern Gelegenheiten zur Partizipation, zur übernahme von Verantwortung und zur Mitarbeit im Gemeinwesen bietet. Eine demokratieförderliche schulische Lernkultur bietet Gelegenheit für Aushandlungs-, Feedback- und Konfliktlösungsprozesse und fördert nicht zuletzt die gemeinsame Verständigung über Erfahrungen von Schülern und Lehrpersonen im Unterricht oder in Situationen der Leistungsbewertung.
Zu einer demokratischen Schulkultur gehören die Organisation von Mitbestimmungsprozessen und die Mitwirkung an Selbstverwaltungsgremien und -institutionen, insbesondere der Klassenrat als basisdemokratische Form kollektiver Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse.
3. Zum Ausbau und zur Entwicklung demokratischer Werte, Orientierung und Einstellungen
Durch Unterricht und Schulleben sollen Kinder und Jugendliche soziale, moralische und demokratische Kompetenzen und Werte erwerben, Orientierungen gewinnen und persönliche Einstellungen entwickeln können. Diese sollen dazu beitragen, die Bedeutung der für ein demokratisches Gemeinwesen konstitutiven Werte zu verstehen, diese in Entscheidungssituationen kritisch zu reflektieren und sie gegen demokratiekritische Einwände mit Argumenten zu verteidigen.
Beteiligung Die direkte Beteiligung der Schülerinnen und Schüler in der Schule fällt nach einer Studie der BertelsmannStiftung relativ gering aus. 14,5 % der Kinder und Jugendlichen wirken (sehr) viel bei den Beteiligungsmöglichkeiten der Schule mit, in den Kommunen engagieren sich lediglich 13,6 % der Jugendlichen oft oder immer, aber 74,6 % bestimmen in der Familie viel mit. Ein anderes Bild zeichnet allerdings die 15. Shell Jugendstudie: In ihrer Freizeit engagierten sich 2006 75 % der Jugendlichen ab 12 Jahren für soziale oder gesellschaftliche Zwecke oder ganz einfach für andere Menschen.
Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.): Kinder- und Jugendpartizipation in Deutschland. Daten, Fakten, Perspektiven. Gütersloh 2005,S. 15 ff.Jugend 2006: Eine pragma- tische Generation unter Druck. 15. Shell Jugendstudie. Frankfurt/M. 2006, S. 122.
Im Qualitätsrahmen Demokratiepädagogik (De Haan u.a. 2007, S. 4.) wird darauf hingewiesen, dass Schülerinnen und Schüler Demokratie durch aktive verantwortungsvolle Mitwirkung an der Gestaltung ihrer schulischen und außerschulischen Lebenswelt ebenso erfahren wie Autonomie, Zugehörigkeit und wertschätzende Anerkennung innerhalb einer sozialen Gemeinschaft, deren Teil sie sind. Die Erfahrung von Gleichberechtigung, von konstruktiver Auseinandersetzung mit Differenz und Dissens, mit Aushandlungsprozessen und Konfliktschlichtung – also die Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt – ist grundlegend für die Entstehung einer gemeinschaftsverträglichen Orientierung.
Beteiligungsformen sollten sich auf die verschiedenen Bereiche des Zusammenlebens beziehen, die sowohl demokratisches Engagement, Mitsprache als auch politische Mitbestimmung umfassen (Eikel 2006, S. 19). Damit sind gemeint:
- Angelegenheiten des unmittelbaren sozialen Umgangs miteinander;
- gemeinnützige Aufgaben und kommunale bzw. (zivil)gesellschaftliche Themen;
- „politische“ Fragen und Entscheidungen im weiteren Sinne.
Prinzipien der Alltagsdemokratie an Schulen
- Partnerschaftlicher Umgang aller Beteiligten;
- Transparenz der Kommunikation und der Strukturen;
- Nachhaltige Partizipation aller Betroffenen an Entscheidungen;
- Toleranz und Gleichbehandlung.
Uli Klemm: Demokratie Lernen – Grenzen und Hindernisse. In: ZEP 3/2008, S. 16 f.
Partizipationserfahrungen In allen drei Bereichen (Familie, Schule und Kommune) wird die Mitwirkung hinsichtlich der Intensität und der Vielfältigkeit von Themen am stärksten beeinflusst von den Erfahrungen, welche die Kinder und Jugendlichen vorgängig mit Partizipation gemacht haben. Dabei spielt die Zufriedenheit mit den Ergebnissen eine genauso große Rolle wie der persönliche Gewinn, den sie – auch unabhängig vom jeweiligen Ergebnis – aus dem Prozess der Partizipation ziehen.
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Kinder- und Jugendpartizipation in Deutschland Daten, Fakten, Perspektiven. Gütersloh 2005, S. 45.