Die Bildungsprozesse in Schule und Unterricht werden insbesondere durch die individuelle Professionalität der Lehrkräfte stark beeinflusst. Die Förderung der didaktischen und diagnostischen Kompetenz der Lehrkräfte sowie die Fähigkeit zur sozialen Interaktion und zum Umgang mit Heterogenität sind entscheidende Faktoren für die Weiterentwicklung der Qualität und Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Steuerung des Schulwesens (Arbeitsgruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 77).
Bei einer Online-Umfrage der Christopherusschule Bad Zwesten zum Thema „Was ist ein guter Lehrer?“ wurden im Herbst 2008 an erster Stelle folgende Merkmale (in absteigender Rangfolge) genannt: Gerechtigkeit und Fairness, Fachwissen, Geduld, Dialog- und Kritikfähigkeit, Motivation und Engagement, Verständliche Präsentation der Lehrinhalte, Begeisterungsfähigkeit, Allgemeinwissen, Lernbereitschaft, Belastbarkeit.
Das Bild des Lehrers in der öffentlichkeit ist anders: Eine repräsetative Allensbach-Studie vom Frühjahr 2009 bilanziert, dass 68% der Bürgerinnen und Bürger meinen, viele Lehrkräfte seien mit ihren Klassen überfordert. Bei den Eltern von Schulkindern sind dies sogar 76%. 65% der Bürger und 72% der Eltern sind der Auffassung, dass es vielen Pädagogen nicht gelinge, den Unterrichtsstoff angemessen zu vermitteln. Nur 12 Prozent der Befragten glaubt, dass Lehrkräfte ihren Beruf lieben (Die Welt, 27.3.2009). Diese Werte spiegeln natürlich nicht die tatsächliche Situation, sondern Meinungen wider.
Die Anforderungen an „gute Lehrkräfte“ sehen so aus: Gute Lehrkräfte sind Lehrkräfte, die Kinder und Jugendliche gern haben und von ihrer Sache überzeugt sind. Sie gestalten einen guten, schülerzentrierten Unterricht. Sie haben einen guten Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern und begegnen ihnen freundlich und respektvoll. Sie verstehen sich nicht als Einzelkämpferinnen und -kämpfer, sondern nutzen das Potenzial von Austausch, Reflexion und Zusammenarbeit in (Klein-)Gruppen bewusst.
Gute Lehrkräfte verfügen über eine gute Diagnosekompetenz und erkennen Probleme frühzeitig. Sie interpretieren Problemsituationen nicht ausschließlich external (die anderen ...), sondern verfügen über die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstkritik (vgl. Hermann 2002).
Sie wissen, dass es auch noch ein Leben außerhalb der Schule gibt. Das entscheidende Instrument ist ihre Persönlichkeit, ihre eigene Begeisterung und Zuwendung zum Thema und zu den Schülerinnen und Schülern.Projektarbeit Ein Mensch lernt nur, was er tut. (Denken ist auch eine Tätigkeit ...) Ein Lernen, das keine Tätigkeit ist, ist kein Lernen. Die Vermittlung von „Stoff“ an untätige Schüler, auch Unterricht genannt, setzt daher in der Regel kein Lernen in Gang, sondern lässt lediglich unkontrollierte bruchstückhafte Informationsaufnahme im Nebenbewusstsein mitlaufen, während sich das Gehirn anderweitig selbst beschäftigt. (...) Lernen geschieht mit Aussicht auf Erfolg erst durch die selbstbestimmten, selbsttätigen, interessegeleiteten, aktiven Formen der Aneignung als tätiger Auseinandersetzung mit einer Aufgabe, einer Herausforderung.
Ulrich Herrmann: Falsch Gm8. In: Pädagogik, 9/2008, S. 50.
Gute Lehrkräfte schaffen Gelegenheiten zum Erkennen und zum Verstehen. Sie bilden sich selbst ständig weiter und engagieren sich auch für die Gemeinschaft. Und: Gute Lehrkräfte können mit der ihnen anvertrauten Macht verantwortungsvoll umgehen und zeigen die Flexibilität, mit ständig wechselnden Rollen souverän zurecht zu kommen.
Dass diese Anforderungen viele Lehrkräfte überfordern, zeigt ein Blick auf die Belastungsskalen, Krankheitsbilder und Burn-OutProblematik von Lehrkräften. Gute Lehrkräfte müssen deshalb auch Wege und Möglichkeiten kennen, ihre Kräfte und Ressourcen so einzuteilen, dass ihre Leistungskraft und Lebensfreude erhalten bleiben.Individualität Wenn Lernen so individuell ist, so individuell wie die Liebe, dann ergibt sich daraus ein weiteres Argument dafür, dass gute Lehrer wirkliche Individuen sein müssen, keine Unterrichtsingenieure, die mit Lückentests und einem desinfizierten und in Klarsichtfolie eingewickelten Wissen die Neugierde vertreiben. Reinhard Kahl: Der gute Lehrer. In: ZEIT online 25.7.2007. www.zeit.de/online/2007/30/gute-lehrer?page=all
Peinlich
Ich empfinde es als peinlich, wenn ich beobachten muss, wie schnell manche Kollegen vergessen, wie es für sie auf der anderen Seite des Klassenzimmers war, wie sie sich als Schüler manchen Lehrern gegenüber gefühlt haben – das trifft leider immer öfter gerade auf junge Kollegen zu. Wenn sie nicht so vergesslich wären, könnten sie sich gegenüber Schülern nicht so schnell so ablehnend, ja feindlich äußern und verhalten.
Sie würden wissen, dass ein Lehrer mit (natürlicher und fachlicher) Autorität nie autoritär sein muss. Sie würden darauf achten, Schülern zu helfen, sie beim Lernen und beim Sammeln und Auswerten von Erfahrungen zu unterstützen. Man muss keine Hausaufgaben aufgeben, nur, weil man eben Hausaufgaben gibt. Es ist ja nicht verkehrt, wenn Schüler ihren Hobbys nachgehen, sich mit Freunden treffen, Zeit dafür haben, eigene Erfahrungen zu machen, eine selbstständige Persönlichkeit entwickeln – am Ende gar eine mit einem eigenständigen, kritischen Verstand.
Andreas Müller: „Dumm, faul, unfähig“ – Wie manche Lehrer über Schüler denken. In: Frankfurter Rundschau, 27.10.2008, S. 18, Auszug.