Nonverbale Kommunikation ist direkter und aussagekräftiger als verbale. Sie richtig zu entschlüsseln und sie für den eigenen Ausdruck einzusetzen, ist für einen reibungslosen zwischenmenschlichen Umgang äußerst hilfreich.
Auch in Konflikten und bei Gewalttätigkeiten spielt die Körpersprache eine wichtige Rolle. Zu wissen, welche nonverbalen Ausdrucksformen eher anheizen und eskalieren und welche eher deeskalierend wirken, ist für einen konstruktiven Umgang mit Konflikten zentral. Konflikte haben ihre eigene Dynamik – sie verlaufen in verschiedenen Phasen. Diese Phasen sind auch im Bereich der Kommunikation durch unterschiedliche körpersprachliche Ausdrucksweisen gekennzeichnet. Körpersprache schließt dabei auch Symbole, Gesten und Rituale mit ein.
Zu diesen körpersprachlichen Ausdrucksweisen im Kontext von Konflikten gehören u.a.: Höflichkeits- und Grußgesten; Drohgebärden, Demonstrationen von Macht und überlegenheit; Unschuldsbeteuerungen; Trauer und Wut; Gesten der Vergebung und Versöhnung.
Trenchcoats und Springerstiefel
- An der Columbine High School in Littleton (US-Bundesstaat Colorado) hatten im Mai 1999 zwei Schüler 13 Menschen erschossen und sich danach selbst das Leben genommen. Da die beiden Trenchcoats trugen, haben mehrere US-Schulen das Tragen solcher Mäntel verboten. Sie fürchteten Nachahmungstäter.
- Erstmals ist in Deutschland einem gewalttätigen Jugendlichen aus der rechten Szene das Tragen von Springerstiefeln verboten worden. Wie das sächsische Landeskriminalamt in Dresden bekannt gab, hat die Stadtverwaltung Leipzig schon im Mai einem 16-jährigen Schüler für zwei Jahre das Anziehen schwerer Schuhe mit Stahlkappen sowie das Mitführen von Messern, Baseballschlägern und Eisenketten untersagt.
Reutlinger Generalanzeiger, 7.8.1999
Gelungene Kommunikation in Konflikten
- Die Grundlagen: Anerkennung, Wertschätzung und das Bemühen um ein Verstehen des Gegenübers sind die Grundlagen für Konfliktgespräche. Dies bedeutet auch, Menschen nicht mit den Problemen gleichzusetzen.
- Subjektive Sichtweisen in Rechnung stellen: Wahrnehmung ist nie objektiv. Konflikte werden von den Konfliktparteien jeweils in ihrer eigenen subjektiven Sichtweise und Logik gesehen und interpretiert.
- Den richtigen Sprachgebrauch finden: Der persönliche Sprachgebrauch sollte sensibel mit Bezeichnungen und Begriffen umgehen. Deshalb sollten sexistische Wendungen und gewaltförmige Ausdrücke vermieden werden. Auch „Killerphrasen“ sind fehl am Platz.
- Aktives Zuhören lernen: Ausreden lassen und einander einfühlsam Zuhören ermöglichen es, die Anliegen des anderen zu verstehen.
- Ich-Botschaften verwenden: In Ich-Form zu sprechen bedeutet, Verantwortung für das Gesagte zu übernehmen, direkt und konkret zu sein. Der (Konflikt)Partner wird nicht beschuldigt („Du ...“), sondern die Wirkung seines Handeln auf mich selbst steht im Zentrum der eigenen Aussagen.
- Körpersprache wahrnehmen und beachten: Körpersprache ist oft eindeutiger als Worte, wenngleich sie immer von Neuem entschlüsselt werden muss. Konflikt- und Krisensituationen sind meistens am Gesichtsausdruck, unwillkürlichen Gesten und der gesamten Haltung ablesbar. Demonstration von überlegenheit und Stärke kann hier ebenso dazugehören wie Unsicherheiten oder Demutsgesten.
Befriedigendes Gespräch
Gespräche sind vor allem dann befriedigend, wenn die Beteiligten
- Achtung und Respekt voreinander haben;
- klar und deutlich aussprechen, was sie meinen;
- zuhören und auch den anderen zu Wort kommen lassen;
- den anderen nicht bewerten;
- Stellung nehmen zur Meinung anderer;
- einfühlsam sich selbst gegenüber und anderen gegenüber sind;
- nicht über andere reden, sondern mit anderen.
Reinhold Miller: Halts Maul, Du dumme Sau. Lichtenau 1999, S. 43.
Der Ton macht die Musik
Kommunikation ist eine komplizierte Vernetzung gegenseitiger Beeinflussung. Die Wahl der richtigen Worte mag dafür wichtig sein, entscheidend ist sie keineswegs. Sozialforscher meinen sogar, dass der kommunikative Erfolg nur zu etwa einem Zehntel von der Wortsprache abhänge. Entscheidend beeinflussten die Körpersprache sowie die Art und Weise des Gesprächs das Ergebnis.
Bevor auch nur das erste Wort gesprochen ist, nehmen die Blicke Kontakt auf. Vertrauensvoll und offen oder schweifend und unehrlich. Hinzu kommen Mimik und Gestik. Auch die Körperhaltung sendet wichtige Signale aus: aufrecht oder geduckt, nervös oder entspannt, natürlich oder verkrampft. Bei der Sprache entscheiden Betonung, Melodie, Tempo, Stimmlage, die Pausen und die Längen sowie die vielen Abstufungen der Modulation darüber, ob die Botschaft ankommt.
Es ist nicht selten, dass geschliffene Redner ohne Resonanz bleiben, während Stammler ihr Gegenüber höchst überzeugend zu beeinflussen wissen. Ihre Offenheit nimmt gefangen, auch wenn die Botschaft sperrig klingt. Der Volksmund weiß es schon lange: Der Ton macht eben die Musik. Und man muss ihr Zeit geben, ihre Flügel zu entfalten.
Peter Gillies. In: Die Welt, 6.11.2000.- Mit Fragen sparsam umgehen: Fragen sind ein wichtiges Hilfsmittel, um Interessen zu klären und verschiedene Sichtweisen eines Konfliktes zu erhellen. Mit Fragen muss jedoch sehr sensibel umgegangen werden. Nicht „Ausfragen“ darf das Ziel sein, sondern ein besseres gegenseitiges Verstehen.
- Aktives Zuhören praktizieren: Keine schon wissende und bewertende, sondern eine interessierte und zugewandte Haltung einnehmen, die Einfühlung und Verständnis signalisiert und die tiefere Bedeutung heraushört.
- Feedback ermöglichen: Feedback soll beschreiben, nicht interpretieren. Es soll sich auf konkrete Einzelheiten beziehen und moralische Bewertungen und Interpretationen vermeiden.
- Metakommunikation: Darüber zu sprechen, wie man spricht, die bewusste Auseinandersetzung darüber, wie Streitende miteinan- der umgehen, welche Gefühle die äußerungen ihres Konfliktpartners bei ihnen auslösen und wie die Botschaften des Gesprächspartners bei ihnen ankommen, kann zur Konfliktlösung beitragen.
Ein achtsamer Umgang schafft die Voraussetzung für aktives, zugewandtes Zuhören, das wiederum erst ermöglicht, Situationseinschätzungen, Urteile, Wahrnehmung zur Sprache zu bringen.
- Zugewandtheit als Bereitschaft, sich auf andere einzulassen, zuzuhören und nachzufragen, wenn man etwas noch nicht verstanden hat.
- Verstehensorientierung durch Schaffung von Erfahrungen, die einem zeigen, dass man durch nähere Informationen über die Handlungsbedingungen einer Person deren Verhalten besser verstehen kann.
- Sozialer Optimismus, der sich u.a. im Vertrauen darin ausdrückt, dass man auch selbst die Chance bekommt, sich zu erklären, wenn man sich falsch verstanden fühlt.
- Das Gewähren einer zweiten Chance, indem man anderen sowie sich selbst die Möglichkeit zugesteht, Fehler im Umgang miteinander zu machen und aus ihnen zu lernen.
- Das Bemühen um Interessenausgleich, indem man versucht, den anderen an der Lösung von Problemen und Konflikten zu beteiligen und bei Meinungsverschiedenheiten und Interessenkonflikten gezielt (vorläufige) Lösungen zu finden, die von allen Beteiligten angenommen werden können.
- Zuverlässigkeit und Respekt vor dem anderen als Bereitschaft zur Diskretion und zur Einhaltung von Vereinbarungen.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Achtsamkeit und Anerkennung. Materialien zur Förderung des Sozialverhaltens in den Klassen 5-9. Bonn 2006, S. 21.
Gewaltfreie Kommunikation
Marshall B. Rosenberg (2002) hat das Konzept der „Gewaltfreien Kommunikation“ (GfK) entwickelt, das keine reine Technik ist, sondern eine Kommunikationsform, die auf Wertschätzung und Anerkennung des anderen beruht. Sie ermöglicht Menschen, so miteinander umzugehen, dass der Kommunikationsfluss zwischen ihnen verbessert wird. Gewaltfreie Kommunikation kann sowohl beim Kommunizieren im Alltag als auch beim friedlichen Lösen von Konflikten im persönlichen, beruflichen oder politischen Bereich hilfreich sein.Empathie ist nach Rosenberg eine Grundvoraussetzung gelingen- der Kommunikation. Er geht davon aus, dass die Form, in der Menschen miteinander kommunizieren, einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob sie Empathie für ihr Gegenüber entwickeln und ihre Bedürfnisse erfüllen können. Außerdem nimmt er an, dass Menschen unter freien Bedingungen die empathische Verbindung zum Mitmenschen suchen. Die GfK soll helfen, sich ehrlich auszudrücken und empathisch zuzuhören. Sie ist auf die Bedürfnisse und Gefühle gerichtet, die hinter Handlungen und Konflikten stehen. „Lebensentfremdende Kommunikation“, so Rosenberg sind die For- men der Kommunikation, die zu Gewalt beitragen, indem sie über den Kommunikationspartner (moralisch) urteilen (z.B. durch diagnostizieren, zuschreiben und vergleichen von Eigenschaften), die Verantwortung für eigene Gefühle und Handlungen verleugnen (z. B. ich fühle mich provoziert) oder Forderungen stellen, anstatt Bitten auszusprechen.
Die vier Komponenten der gewaltfreien Kommunikation:
- Beobachtung oder Bewertung?
Genau beobachten, was geschieht. Die Beobachtung dem anderen ohne Bewertung mitteilen. - Gefühle ausdrücken
Was fühlen wir, wenn wir diese Handlung beobachten? - Bedürfnisse erkennen und akzeptieren
Welche Bedürfnisse stecken hinter diesen Gefühlen? - Bitten aussprechen
Was wollen wir vom anderen?
- Konkrete Handlungen, die wir beobachten können und die unser Wohlbefinden beeinträchtigen;
- Wie wir uns fühlen in Verbindung mit dem, was wir beobachten;
- Unsere Bedürfnisse, Werte, Wünsche usw., aus denen diese Gefühle entstehen;
- Die konkrete Handlung, um die wir bitten möchten, damit unser Leben reicher wird.
Vgl. Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation. Paderborn 2002. S. 21, f.
Killerphrasen und Scheinargumente
Killerphrasen verhindern einen Austausch und ein echtes Gespräch. Solche Killerphrasen sind z. B.:
- Das geht hier nicht.
- Dafür ist die Zeit zu knapp.
- Das kann ich jetzt nicht erklären.
- Das haben wir schon oft versucht.
- Davor müssen wir aber noch ... erledigen.
- Was soll da schwierig sein?
- Das war noch nie so.
- Das können wir den anderen nicht zu muten.
- Das ist doch gar nicht erlaubt.
- Das macht zu viel Arbeit.
- Es wird die Beobachtung einer konkreten Handlung oder Unterlassung beschrieben, ohne sie mit einer Bewertung oder Interpretation zu vermischen. Es kommt vor, dass trotz bewertungsfreier äußerungen vom Gegenüber eine Kritik herausgehört wird. Hier soll der Kommunikationspartner das Gesagte paraphrasieren (vgl. M2, aktives Zuhören).
- Es wird das Gefühl ausgedrückt, das mit der Beobachtung in Verbindung steht.
- Das hinter dem Gefühl liegende Bedürfnis wird formuliert. Dies ist häufig nicht auf den ersten Blick erkennbar. Besonders bei negativen Gefühlen ist es für den empathischen Kontakt zum Kommunikationspartner notwendig, die dahinter liegenden eigenen Bedürfnisse zu verstehen.
- Es wird die Bitte um eine konkrete Handlung geäußert. Es wird zwischen Bitten und Wünschen unterschieden. Bitten beziehen sich auf Handlungen im Jetzt, Wünsche auf Ereignisse in der Zukunft. Da Empathie immer im Jetzt ist, passen dazu nur Bitten, die im Jetzt erfüllt werden können. Rosenberg schlägt vor, Bitten in einer „positiven Handlungssprache“ zu formulieren (vgl. www.wikipedia.de).
Obwohl an diesem Modell vielfach auch Kritik geübt wird, z.B., dass eine wertungsfreie Kommunikation nicht möglich sei, Machtverhältnisse nicht berücksichtigt würden und die Anwendung zu formelhaft sei, bietet das Grundkonzept der Gewaltfreie Kommunikation gerade auch für die Schule einen Rahmen und Zugang für einen wertschätzenden und verstehenden Umgang.
Hinter die Kulissen schauen „Es gibt einen Ort jenseits von richtig und falsch, da treffen wir uns,“ sagt ein persisches Sprichwort. Ich helfe den streitenden Parteien, sich über ihre wechselseitigen Grundbedürfnisse klar zu werden. Die sind bei allen Menschen gleich. Gewaltfreie Kommunikation ist ein Ansatz, der uns helfen kann, vertrauensvoll und mitfühlend miteinander umzugehen und zum gegenseitigen Wohl beizutragen, nicht die ewig gleichen Kampfschemen und verletzenden Argumente auszutauschen.
Interview mit Marshall B. Rosenberg über Weltfrieden und gewaltfreie Kommunikation von Swantje Strieder. www.peace-counts.org