Mobbinghandlungen sind vielfältig und unterscheiden sich auch innerhalb sog. „Statusgruppen“. So ist z.B. das Verbreiten von Gerüchten und Unwahrheiten bei Arbeiterinnen und Angestellten am häufigsten, während bei Beamten das Verweigern wichtiger Informationen an erster Stelle steht. Leymann (2002) hat eine Systematik von 45 feindseligen Handlungen erstellt, die sich in fünf Kategorien zuordnen lassen (vgl. M2). Diese Kategorien beinhalten Angriffe
- auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen (z.B. Kontaktverweigerung, unterbrechen);
- auf die sozialen Beziehungen (z.B. versetzen, ignorieren);
- auf das soziale Ansehen (z.B. das Verbreiten von Gerüchten);
- auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituationen (z.B. sinnlose Arbeitsaufgaben);
- auf die Gesundheit (z.B. gesundheitsschädliche Arbeiten, Androhung körperlicher Gewalt).
Auch wenn Kritiker bemängeln, dass diese Systematik unvollständig, unstimmig und redundant sei, so bietet sie dennoch einen Hinweis, welche Typen von Handlungen als Mobbing eingestuft werden können.
Im schulischen Bereich sind Mobbinghandlungen wie „schlecht über jemanden reden“, „Gerüchte und Lügen verbreiten“ oder „jemanden lächerlich machen“ weit verbreitet. Es ist wichtig die einzelnen Mobbinghandlungen als ein Muster zu erkennen, das die verschiedenen einzelnen Handlungen miteinander verbindet (Dunkel 2004). Die Strategie dabei ist, Mitschülerinnen und Mitschüler in ihrem Selbstwert zu kränken, sie zu erniedrigen und systematisch fertig zu machen.
Das Mobbinggeschehen verläuft meist in mehreren Phasen. In jeder Phase sind verschiedene Handlungsmöglichkeiten typisch (vgl. Meschkutat u.a. 2003, S. 54):
- Ein ungelöster oder schlecht bearbeiteter Konflikt steht oft am Anfang. Schuldzuweisungen und einzelne Angriffe gegen eine bestimmte Person können die Folge sein.
- Der Psychoterror setzt ein. Das Mobbingopfer wird immer mehr Ziel systematischer Angriffe, wird zunehmend isoliert und ausgegrenzt. Das Selbstwertgefühl der gemobbten Person nimmt ab.
- Die Entwicklung eskaliert. Die gemobbte Person ist durch ständige Demütigungen stark verunsichert und gilt zunehmend als „problematisch“. Beim Opfer werden gesundheitliche Folgen sichtbar, die Leistungsfähigkeit leidet stark.
- Dem Druck kann nicht länger standgehalten werden. Die Opfer wechseln die Schule (verlieren ihren Arbeitsplatz oder scheiden sogar ganz aus der Arbeitswelt aus). Oft treten langanhaltende Krankheiten auf.
Schüler mobben Arme Für Schulkinder in Deutschland sind physische Abweichungen wie eine Behinderung oder geringe Körpergröße und mangelnder Reichtum der Eltern die größten Hürden, um in der Schule anerkannt zu werden. Anderswo in Europa spielen Faktoren wie Hautfarbe und ethnische Herkunft (Italien, Schottland), Sprache (England) oder auch Kleidung (Niederlande, Portugal) eine viel größere Rolle. Dies ergibt eine aktuelle Umfrage des British Council unter 3.500 Schülerinnen und Schülern in neun Ländern Europas.
Vgl. Frankfurter Rundschau, 1.3.2008.
Opfer, Täter, Zuschauer
Mobbing ist jenseits der einzelnen konkreten Handlungen als ein soziales Beziehungsgeschehen zu verstehen, bei dem Opfer, Täter und Zuschauer in einer spezifischen Dynamik verstrickt sind, von der zwar alle wissen, aber gleichzeitig darüber schweigen. über die Hälfte der Angreifer handeln nicht als Einzelperson, sondern als sich gegenseitig stabilisierende Gruppe, bei der es durchaus eine Rollenaufteilung gibt.
Ein erhöhtes Risiko, Opfer zu werden, haben Kinder, die schwach und unsicher sind (wirken) und die eher zu einer depressiven Verarbeitung von Problemen neigen (Schuster 2007, S. 90 ff.). Häufig sind sie auch körperlich schwächer und unsportlicher als die anderen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Opferkinder häufig eine so genannte „unsicher-ambivalente“ Bindung zu ihrer primären Bezugsperson haben. In der Peergruppe (Klassengemeinschaft) werden sie eher abgelehnt. Ihr eigenes Selbstwertgefühl ist eher schwach.
Neben dem schwachen, passiven Opfertyp ist jedoch noch ein zweiter Opfertyp auffällig: das provozierende oder aggressive Opfer, das Schwierigkeiten mit seiner Emotionsregulation hat und als leicht unruhig, jähzornig und irritierbar beschrieben wird. Doch gibt es nicht nur diese beiden typischen Mobbingopfer. In der Dynamik des Mobbinggeschehens kann jede und jeder Opfer werden. Mobbingopfer bleiben aber nicht immer in dieser Rolle, sie tauchen immer wieder auch als Täter auf.
Täter zeichnen sich durch ein aggressives Handlungskonzept aus, das durch das Bedürfnis nach Kontrolle und Unterwerfung gekennzeichnet ist (vgl. Dunkel 2004). Sie verfügen über ein eher positives Selbstbild und sind bei den Mitschülerinnen und Mitschülern häufig beliebter als das Opfer. Sie wirken körperlich stark und umgeben sich meist mit einer Gruppe, die sie unterstützt. Täter sind i.d.R. Mitschülerinnen und Mitschüler aus derselben Klasse, in der sich das Opfer befindet. Ebenso wie jeder Mensch Opfer von Mobbing werden kann, kann jeder, wenn die Situation entsprechend ist, auch zum Täter werden.
Zuschauer sehen sich häufig nicht als Beteiligte. Da sie das Geschehen jedoch dulden, wirkt ihr Verhalten verstärkend auf den / die Täter.
Mobbing kann sein ...
- ein Entlastungsventil für Aggressionen;
- der Versuch, Anerkennung zu erlangen;
- eine Möglichkeit sich darzustellen und aufzuwerten;
- der Missbrauch von Macht;
- der Versuch, Sündenböcke für eigenes Versagen zu finden.
Vgl. http:arbeitsblaetter. stangel-taller.at
Lehrkräfte als Opfer und Täter
Lehrkräfte sind immer wieder Beleidigungen und Beschimpfungen ausgesetzt. Körperliche Bedrohungen oder gar Angriffe kommen eher selten vor (Jäger 2007). Wichtig ist jedoch zu sehen, Lehrkräfte sind nicht nur Opfer von Angriffen und Mobbing, sie sind immer wieder auch Täterinnen und Täter, indem sie z.B. Schülerinnen und Schüler bloßstellen, ungerecht behandeln, beleidigen, nicht beachten, beschimpfen oder gar schikanieren. Die ständige Bewertung eines Schülers, nicht nur seiner Leistung sondern auch seines Sozialverhaltens, kann Mobbing verstärken.
„Mobbing durch Lehrkräfte sind Einzelfälle“, sagen die Schulbehörden. „Es kommt öfters vor, als man glaubt“, sagen Betroffene. Belastbare Zahlen sind nicht verfügbar. Da sich die Schülerinnen und Schüler in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden und Schulleitung und die übrigen Lehrkräfte die kollegiale Verbundenheit sehr hoch einschätzen, bleiben solche Fälle meist im Verborgenen (Schmitz u.a. 2006, S. 64 ff.). über- und Unterforderung, überlastung, Burn-Out, ein angespanntes Arbeitsklima in der Schule, Machtbedürfnisse usw. können für Lehrermobbing mitverantwortlich sein. Schmitz u.a. (2006, S. 92) benennen personale Merkmale, die neben strukturellen und situativen Merkmalen für feindseliges und gewaltförmiges Verhalten von Lehrkräften entscheidend sein können. Dieses kann sich daran zeigen, wenn
- Lehrer bzw. Lehrerinnen überzeugt sind, dass sie von Amts wegen verpflichtet sind, Ruhe, Disziplin und Ordnung mit allen Mit teln durchsetzen zu müssen;
- sie das zentrale Bedürfnis haben, auf junge Menschen einwirken zu müssen, dass sie diese Sekundärtugenden verinnerlichen;
- sie überzeugt sind, dass Härte und Zwang die besten Machtmittel sind, um Erfolge in der Lehrer-Schüler-Beziehung zu erreichen;
- sie überzeugt sind, dass „pädagogische“ und psychologische Mittel überflüssig sind;
- für sie die Ausübung von autoritärer Macht mit positiven Gefühlen verbunden ist;
- sich eine Lehrperson ohne das Gefühl, über autoritäre Macht zu verfügen, unvollkommen oder defizitär vorkommen würde;
- eine feindseligaggressive Haltung habituell geworden ist.
Ein weiterer Bereich von Mobbing in der Schule darf nicht übersehen werden. Lehrerinnen und Lehrer (und die Schulleitung) mobben sich auch gegenseitig. Dies geschieht z.B., indem die Gemobbten von Informationen ausgeschlossen werden, immer wieder den schlechtesten Stundenplan, die schlechtesten Räume oder die schwierigsten Klassen erhalten oder Gerüchte über das Privatleben in Umlauf gebracht werden usw.
Gewalt gegen Lehrkräfte
Repräsentative Ergebnisse über Gewalt gegen Lehrkräfte an Gymnasien und Hauptschulen liegen für den Freiburger Raum vor. Innerhalb eines Jahres waren
- 43,0 % der Lehrkräfte das Ziel von massiven verbalen Angriffen;
- 7 % der Lehrkräfte von Beschädigungen persönlichen Eigentums betroffen;
- 4 % der Lehrkräfte konkret mit körperlicher Gewalt bedroht;
- 1,4 % der Lehrkräfte von körperlicher Gewalt betroffen.
In die Untersuchung einbezogen waren 950 Lehrkräfte an Hauptschulen und Gymnasien innerhalb dreier Schulbezirke in und um Freiburg. Die Untersuchung wurde unter Leitung von Prof. Dr. Joachim Bauer, Universitätsklinik Freiburg durchgeführt.
www.pr.uni-freiburg.de/pm/2008/Lehrer_Bauer_Studie, www.uniklinik-freiburg.de/onlinemagazin/live/aktuelles/lehrer.html
Stresssymptome bei Mobbing
- Gedächtnisstörungen
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Niedergeschlagenheit
- Initiativlosigkeit, Apathie
- Gereiztheit
- Rastlosigkeit
- Aggression
- Gefühl der Unsicherheit
- übersensibilität bei
Enttäuschungen - Alpträume
- Bauch-/Magenschmerzen
- Durchfall
- Erbrechen
- übelkeit
- Appetitlosigkeit
- Weinen
- Einsamkeit/Kontaktarmut
- Schweißausbrüche
- Trockener Mund
- Herzklopfen
- Atemnot
- Rückenschmerzen
- (Ein)schlafstörungen
- Antriebslosigkeit
- Zorn
Martin Womerath: Mobbing im Betrieb. Rechtsansprüche und deren Durchsetzbarkeit. Baden-Baden 2004, S. 55.
Cybermobbing
Unter Cyber-Mobbing, auch Cyber-Bullying oder Cyber-Stalking, versteht man die Nutzung moderner Kommunikationsmittel (z. B. dem Internet), um anderen Menschen zu schaden. Dabei werden die Opfer durch Bloßstellung im Internet, permanente Belästigung oder durch Verbreitung falscher Behauptungen gemobbt.
Ein Sonderfall sind Bewertungsportale wie „Spickmich“ oder „MeinProf“ auf denen Schüler und Studenten anonym die Arbeit ihrer Lehrer und Professoren beurteilen können. Die Meinungen zu diesen Foren sind geteilt, während manche sie lediglich als Rückmeldung der Betroffenen empfinden, fühlen sich andere durch die anonyme Kritik gemobbt. (vgl. www.wikipedia.org)
Cybermobbing ist inzwischen weit verbreitet. Gemobbt wird nicht nur per SMS, E-Mail oder Instant Messenger. Cybermobbing geschieht auch in den unter Schülerinnen und Schülern sehr beliebten sozialen Online-Netzwerken wie MySpace oder SchülerVZ. Beschimpfungen, Beleidigungen und böswillige Gerüchte werden hier gezielt eingesetzt. Andere Mobber nutzen Videoportale wie YouTube oder Foto-Communities, um ihre Opfer mit manipulierten oder heimlich aufgenommenen Fotos und Videos bloßzustellen (zdf-heute.de, 12.1.2009).
Laut der (nicht repräsentativen) Internet-Umfrage der Association of Teachers and Lectures (ATL), die von Dezember 2006 bis Januar 2007 lief, gaben 17 Prozent der teilnehmenden Lehrer (379) an, schon einmal mit Hilfe von Handy oder E-Mail oder im Chatroom belästigt worden zu sein. Dabei gibt nur ein Drittel Formen von Belästigung an, die geeignet sind, vor anderen bloß gestellt zu werden. Die Belästigungen beziehen sich vor allem auf Anrufe und Emails. Zwei Drittel der Lehrkräfte sehen Kolleginnen bzw. Kollegen, Vorgesetzte oder Eltern als Verursacher des „Cyberbullying“ an (vgl. Demmer 2007).
Eine von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2008 durchgeführte Studie zeigt, 8 % der befragten Lehrkräfte sind direkt von Cyber-Mobbing betroffen. Es sind vor allem Schülerinnen und Schüler (aber auch Kollegen (3 %) und Vorgesetzte (5 %), die auf diese Weise mobben.
Bei Cybermobbing ist bislang nur wenig Unrechtsbewusstsein vorhanden und die möglichen Folgen für die Mobber sind kaum bekannt. Die Betroffenen wünschen sich eine verstärkte Aufklärung über Cybermobbing, einen Verhaltenskodex, aber auch Rechtsschutz und Informationen über konkrete Möglichkeiten, gegen Cybermobbing juristisch vorzugehen (vgl. www.gew.de/die_ergebnisse_in_Kuerze.html).