Der Konfliktforscher Reiner Steinweg (2008, S. 114) stellt für eine gelingende Gewaltprävention die entscheidende Frage: „Was brauchen Kinder, damit sie Gewalt nicht brauchen?“ Und der Sportsoziologe Gunter Pilz (2010, S. 447) nennt einen zentralen Ansatzpunkt: Gewaltprävention muss bei den Problemen ansetzen, die Kinder und Jugendliche haben, nicht bei denen, die sie machen, denn hinter der Gewalt stehen oft eigene Erfahrungen mit Gewalt.
Gewaltprävention muss vorrangig durch Erziehung, Lernen und Kompetenzerwerb bewältigt werden. Eine nachhaltige Gewaltprävention kann nur gemeinsam mit den Kindern, mit den Peers und mit Eltern, anderen Erziehungspersonen sowie dem relevanten sozialen Umfeld der Kinder gelingen (vgl. Lüders/Holthusen 2007).
Der pädagogische Blick bedeutet, den Charakter von Aggression und Gewalt bei Kindern weitgehend als entwicklungsbedingtes und altersspezifisches Phänomen zu sehen, das viel mit den Problemen, Herausforderungen und Aufgaben zu tun hat, die beim Aufwachsen bewältigt werden müssen. Aggression hat hier oft eine explorative, erkundende Funktion, die Fragen und Zumutungen an die soziale Umwelt beinhaltet: „Was darf ich tun?“ und: „Wo liegen die Grenzen?“ Dabei werden Reaktionen der Erwachsenen herausgefordert und erwartet.
Der pädagogische Blick ermöglicht es, Aggression und Gewalt auch als Kommunikationsform zu verstehen, als soziales Handeln, in dem vielfältige Botschaften und auch Hilferufe versteckt sind. Eine Kommunikationsform, die sicherlich nicht sozial adäquat ist, aber die viel-leicht im Moment die einzig mögliche darstellt.
Der pädagogische Blick bedeutet, die verschiedenen Funktionen von Gewalt, etwa für die Erprobung und Inszenierung von Männlichkeit oder für die Erlangung von Zugehörigkeit zu Gruppen, zu kennen und zu beantworten.
Der pädagogische Blick bedeutet, dieses Verhalten mit „Augenmaß“ zu betrachten und zu beurteilen. Es geht um die Begleitung von Kindern auf ihrem Weg in die Welt. Dabei brauchen sie für ihre Entwicklung auch unbeobachtete und selbstbestimmte Räume, in denen sie eigene Erfahrungen machen können (Steffen 2007, S. 210).
Deshalb dürfen das Übertreten von Regeln oder aggressives Verhalten von Kindern nur als ein und nicht als der zentrale Aspekt ihres Verhaltens gesehen werden. Die Aufmerksamkeit muss stattdessen stärker auf ihre Kompetenzen, Ressourcen sowie auf die Ausbildung von Schutzfaktoren gerichtet werden (vgl. Arbeitsstelle Kriminalprävention 2007; Steffen 2007, S. 210 ff.).
Was der Tübinger Pädagogikprofessor Hans Thiersch (2007) in Bezug auf Jugendliche formulierte, gilt auch für Kinder: „Der Pädagoge [geht] zunächst von den Entwicklungsmöglichkeiten, den Lernmöglichkeiten des Heranwachsenden und der Frage [aus], wie diese gestützt und gefördert werden können. Wichtig aber scheint mir für den pädagogischen Ansatz zu sein, dass alle diese Formen eines schwierigen, regelverletzend auffälligen Verhaltens verstanden werden müssen, als Ausdruck der Anstrengung, mit seinem Leben zurande zu kommen oder als Bewältigungsversuch. Es sind vielleicht die falschen Mittel, es sind vielleicht falsche Vorgaben, es sind falsche Muster, aber es steckt in ihnen die Anstrengung, mit den Verhältnissen zurande zu kommen.“