Mit Gewaltspielzeug umgehen

Bei der Frage des Umgangs mit Kriegs- und Gewaltspielzeug ist Differenzierung angesagt. Kriegsspielzeug und Kriegsszenarien im engeren Sinn sollten in Kinderzimmern und pädagogischen Einrichtungen keinen Platz haben. Dies gilt auch für Video- und Computerspiele, die unter jugendschützerischen Gesichtspunkten für Kinder nicht zugänglich sein sollten.

Ein generelles Verbot der Produktion und des Verkaufs von allen Arten von Kriegs- und Gewaltspielzeug ist aus Gründen der Gewerbefreiheit nicht möglich und aus pädagogischen Gründen auch nicht sinnvoll. Ganz abgesehen von der Schwierigkeit der Einordnung, welches Spiel-zeug genau darunter fallen sollte.

In vielen Kindergärten und Kindertagesstätten ist das Mitbringen und Spielen mit Spielzeugwaffen untersagt. Es bleibt jedoch das Problem, dass sich Verbote weder von den Eltern noch von den Erzieherinnen auf Dauer gänzlich durchsetzen lassen. Kinder finden, ob von den Eltern gewollt oder nicht, ab einem bestimmten Alter (4–6 Jahre) Mittel und Wege, um in den Besitz von Gewaltspielzeug zu kommen oder sich Nachbildungen selbst herzustellen und hinter dem Rücken von Eltern und Erzieherinnen damit zu spielen.

Worum es geht
„Um die Spielzeugpistole wird es in dieser Auseinandersetzung nicht gehen und auch nicht um den Panzer, wohl aber um detaillierte brutalisierte Szenarien, die in ihrer Ausdrücklichkeit die Transformationskraft des Kindes gefährden. Goethe, so liest man, habe seinem Sohn eine Spielzeugguillotine schenken wollen und nur die Mutter des Dichters habe dies verhindert. Recht hatte sie!“ (Wegener-Spähring 2000)

Was zu bedenken ist

  • Verbote in pädagogischen Einrichtungen entspringen eher einer „political correctness“, denn pädagogischen Überlegungen.
  • Kinder drücken durch ihr Spiel Neugier, Interessen, aber auch ihr Verständnis von Rollen (z. B. Mannsein und was für sie dazu gehört) aus.
  • Gewaltspielzeug ist Jungenspielzeug. Verbote vermitteln ihnen, dass ihre Interessen hier keinen Platz haben. Sie fühlen sich nicht in ihren spezifischen Ausdrucksformen respektiert.
  • Der Umgang mit Gewaltspielzeug verfestigt so die klassische Rollenteilung beim Spiel und Spielzeug. Mädchen spielen typischerweise ruhiger und weniger aggressiv. Jungen lauter, raumgreifender und mit mehr Körpereinsatz. Dieses Spiel wird aber eher als „schlecht“ und „unerwünscht“ angesehen.
  • Gewaltspielzeug spiegelt den alten Kampf zwischen Gut und Böse wider und lässt sich, dies zeigen internationale Studien über lange Zeiträume hinweg, nicht eindämmen (vgl. Holland 2000).
  • Spielen mit Gewaltspielzeug ist nicht identisch mit aggressivem Verhalten. Oft folgt dieses Spiel eigenen Regeln. Dabei werden verschiedene Rollen aufgeteilt und immer wieder gewechselt.
  • Es muss klar zwischen selbst gemachten, gebastelten Waffen(-imitaten) und realistischen, gekauften Nachbildungen unterschieden wer-den. Während selbst konstruierte Waffen der Phantasie entspringen, sind mit gekauftem Kampfgerät oft die Spielszenarien schon vordefiniert.
  • Spielzeugwaffen werden für Jungen auch als Mittel zur symbolischen Kommunikation verwendet. Sie vermitteln Botschaften über Ängste, Phantasien, Wünsche und Sehnsüchte.
  • Verbote beendigen Diskussionen und brechen einen möglichen Dia-log ab, aber sie lösen keine Probleme.

Das eigene Verhältnis zu Gewaltspielzeug klären
Eltern und Erzieherinnen und Erzieher müssen sich zu der Frage von Kriegs- und Gewaltspielzeug verhalten. Auch ein Verzicht auf „pädagogische Interventionen“ ist eine Reaktion. Dieses Verhalten ist oft von Unsicherheit geprägt. Die Feststellung: „Wir spielen hier nicht mit Waffen!“ ist eindeutig und lässt sich auch mit guten Argumenten begründen. Dennoch bleibt häufig eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit Gewaltspielzeug.

Es geht darum, eine eigene begründete Position zu finden und dies ist zunächst eine Anfrage an die eigene Einstellung zur und den eigenen Umgang mit Aggression und Gewalt. Wo werden selbst die Ellbogen eingesetzt? Wo und wie werden die Kinder Opfer der eigenen Machtansprüche? Wie werden Gewalthandlungen anderer kommentiert und bewertet? Gilt das eigene Engagement nur einer Abrüstung im Kinderzimmer oder sind damit alle Waffen gemeint? Und nicht zuletzt: Welcher Anteil am kindlichen Verhalten liegt bei Eltern, Erzieherinnen und Erziehern selbst? Oft sind kindliche Verhaltensweisen Reaktionen auf aggressives und unduldsames Verhalten ihrer Bezugspersonen.

Auch hier sind die Eltern, Erzieherinnen und Erzieher in ihrem eigenen Lebensvollzug gefragt. Auch hier entscheidet die eigene Glaubwürdigkeit. Friedensfähigkeit, d.h. konstruktive Konfliktaustragung, muss von den Eltern und Erwachsenen vorgelebt werden. Sich der eigenen Einstellungen, Befürchtungen und Verhaltensweisen bewusst zu werden, ist also der erste Ansatzpunkt auch beim Umgang mit Gewaltspielzeug. Man sollte seinen Kindern keine Spielzeugwaffen kaufen, ihnen aber ruhig die eigene Einstellung zu Spielzeugwaffen und realen Waffen erklären und mit ihnen über die eigenen Befürchtungen und Ängste reden. Dies wird zwar nicht verhindern, dass sie dennoch immer wieder zu Gewaltspielzeug greifen, aber sie kennen unmissverständlich die Grundeinstellung der Eltern. Diesen Zwiespalt bewusst auszuhalten, zu dulden bzw. sogar zu akzeptieren, ist etwas anderes, als ihn naiv zu fördern oder vor ihm die Augen zu verschließen.

Gewaltspielzeug im Vorschulalter

Eigenaktivität fördern
Wenn Spiel eine Bedeutung für die seelische Entwicklung des Kindes haben soll, so muss es vor allem Eigenaktivität sein können. Es darf sich nicht auf eng festgelegten Wegen oder Programmen bewegen, sondern muss zumindest Entscheidungen, Gestaltungen, Ausdrucksweisen, eigene Pläne des Kindes und Aktivitäten, die nicht nur durch den Würfel oder die Kartenfolge bestimmt werden, ermöglichen. Die Spielqualität ist umso höher, je mehr Qualitäten dieser Art angesprochen sind, d.h., je mehr eigene Aktivität, persönliche Thematik und freie Gestaltung des Kindes im Spiel Raum findet. (Flitner 1974, S. 1–13, Auszug)

 

Gemeinderat gegen Kriegsspielzeug
SÜSSEN. Nicht entsprochen hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung einem Antrag der SPD-Fraktion, wonach bei den Märkten der Gemeinde künftig der Verkauf von Kriegsspielzeug gänzlich verboten werden soll. Für die Ablehnung waren rechtliche Gründe entscheidend, weil sowohl das Innen- als auch das Wirtschaftsministerium des Landes übereinstimmend erklärt haben, dass ein Vertriebsverbot für Kriegsspielzeug von den örtlichen Marktordnungen nicht ausgesprochen werden dürfe, weil damit höherrangige Rechte (Gewerbefreiheit) beschnitten würden. Im Grundsatz ist sich der Gemeinderat jedoch einig, einen Appell gegen den Verkauf von Spielzeug, das der Gewaltverherrlichung dient, an die Händler zu richten. Vor allem, so meinte Bürgermeister Rolf Karrer, gelte es aber, an die Eltern zu appellieren, solcherlei Spielzeug erst gar nicht zu kaufen. Erst mangels Nachfrage werde auch eine dauerhafte Verringerung des Angebotes erfolgen.
(NWZ, 30.10.1991)

 

Alternativen anbieten
Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt ist die Frage nach attraktiven Alter-nativen. Alternativen, die Spannung und Aktion beinhalten und zudem gemeinsam unternommen werden können, werden seit vielen Jahren unter dem Stichwort „Erlebnispädagogik“ praktiziert. Bootsfahrten, Klettergärten, Zelten, Waldspaziergänge bei Nacht usw. sind dabei nur einige Bereiche, die sich in vielen Variationen für jede Altersstufe leicht verwirklichen lassen.

Das Wesentliche dabei ist, dass Eltern und Kinder dies gemeinsam unternehmen. Kinder können so ihre (körperlichen) Fähigkeiten erproben und gleichzeitig erfahren, dass sie ihren Eltern nicht nur im materiellen Sinne etwas wert sind.

Alternativen anbieten bezieht sich auf alle Bereiche der Spielzeugwelt und der Medien. So können z. B. gute Bücher, gute (Computer-)Spiele und gute Filme helfen, Phantasie zu entwickeln und Konzentration zu fördern, aber vor allem auch zeigen, wie Menschen friedlich zusammenleben und wie Konflikte gewaltfrei gelöst werden können. Sie erfüllen so eine wichtige Vorbild- und Modellfunktion.

Das Wichtigste scheint aber zu sein, Kinder wieder Spielräume anzubieten, in denen sie selbständig und kreativ spielen und gestalten können. Die herkömmlichen Spielplätze und Spielangebote sind oft zu einfallslos und langweilig.

Schuss im Kindergarten: Kind hat Pistole dabei
Ein sechsjähriger Junge hat in einem bayerischen Kindergarten mit einer Schreckschusswaffe geschossen. Wie die Polizei am Donnerstag mitteilte, war in der Pistole eine Platzpatrone. Verletzt wurde niemand. Eine Erzieherin hatte am Mittwoch im Turnraum des Kindergartens im schwäbischen Marktoberdorf, in dem mehrere Kinder spielten, ein lautes Geräusch gehört. Bei dem Sechsjährigen fand sie die Waffe und nahm sie ihm ab. Ermittlungen ergaben, dass das Kind die Pistole von zu Hause mitgebrachte hatte. Dort lag sie ungesichert auf einem Schrank. Gegen die Mutter des Jungen werde Anzeige nach dem Waffengesetz erstattet, so die Polizei.(Frankfurter Rundschau, 21.6.2013, S. 39)

Grundlegende Einsichten
Wenn wir Kinder ernst nehmen wollen, dürfen wir einige grundlegende Einsichten nicht vergessen:

  • Auch das beste Spielzeug kann den Kontakt und die Beziehung zu Eltern und Freunden nicht ersetzen.
  • Auch das beste Spielzeug kann verlorengegangene Spielräume nicht zurückholen.
  • Und: Auch das beste Spielzeug kann fehlende Anerkennung und Wertschätzung von Kindern nicht kompensieren.

Gewaltprävention in Vorschule und KindergartenAber: Gutes Spielzeug kann eine Unterstützung bei den Bemühungen sein, Kindern die notwendigen Hilfestellungen auf dem Weg zu einer eigenständigen und sogleich sozialen Persönlichkeit zu geben. Es darf nicht vergessen werden, es sind Erwachsene, die sich Kriegs-und Gewaltspielzeug ausdenken, herstellen und in Umlauf bringen.

Handlungsstrategien

Was Kinder brauchen ...
„Der junge Mensch (...) braucht (...) seinesgleichen – nämlich Tiere, überhaupt Elementares, Wasser, Dreck, Gebüsche, Spielraum. Man kann ihn auch ohne das alles aufwachsen lassen, mit Teppichen, Stofftieren oder auf asphaltierten Straßen und Höfen. Er überlebt es – doch soll man sich dann nicht wundern, wenn er später bestimmte soziale Grundleistungen nie mehr erlernt.“
(Mitscherlich 1999)

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