Vorurteilsbewusste Bildung

Die vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung, die speziell auch für den Vorschulbereich in dem Projekt „Kinderwelten“ (www.kinderwelten.net) entwickelt und erprobt wurde, basiert auf dem sog. Anti-Bias-Ansatz.

Dieser richtet sich gegen jede Form von Unterdrückung und Diskriminierung und setzt sich für Chancengleichheit ein. „Kinder sollen dabei unterstützt werden, ein positives Selbstbild zu entwickeln, Vielfalt zu respektieren und für Fairness einzutreten.“ (Wagner 2008, S. 27) Dies setzt bei den Erzieherinnen und Erziehern eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Wertvorstellungen und Erziehungsprinzipien voraus.

Kulturelle Vielfalt: das gemeinsame Erbe der Menschheit
„Im Laufe von Zeit und Raum nimmt die Kultur verschiedene Formen an. Diese Vielfalt spiegelt sich wider in der Einzigartigkeit und Vielfalt der Identitäten, die die Gruppen und Gesellschaften kennzeichnen, aus denen die Menschheit besteht. Als Quelle des Austauschs, der Erneuerung und der Kreativität ist kulturelle Vielfalt für die Menschheit ebenso wichtig wie die biologische Vielfalt für die Natur.“
(Nürnberger Erklärung der Deutschen UNESCO-Kommission 2002, Art. 1. www.unesco.de/nuernber-ger-erklaerung.html?&L=0)

Charakteristisch für die Anti-Bias-Arbeit ist der Fokus auf zwei miteinander verbundenen Handlungsebenen (Gomolla 2007, S. 6):

  • Die pädagogische Arbeit mit Kindern, um auch schon kleine Kinder zum konstruktiven Umgang mit Aspekten der Differenz, Gleichheit und Diskriminierung und zur Teilhabe an demokratischen Prozessen zu befähigen.
  • Diversitäts- und diskriminierungsbewusste Organisationsentwicklung. Damit sollen strukturelle Mechanismen, die für Kinder mit bestimmten Voraussetzungen den Zugang zu den Angeboten der Kitas versperren und ihre Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten einschränken, in kontinuierlichen gemeinsamen Reflexionsprozessen sichtbar gemacht und abgetragen werden.

Vorurteilsbewusste Bildung Vorschule und Kindergarten

Dabei kommt der Arbeit an der persönlichen Haltung (inneren Einstellungen) der Erzieherinnen und Erzieher große Bedeutung zu.

Die Begründerin des Anti-Bias-Ansatzes, Louise Derman-Sparks (2007, S. 3), betont, dass die Anti-Bias-Arbeit besonders auf die soziale Identitäten im Sinne von Gruppenidentitäten achte. Denn Menschen hätten viele Identitäten (z. B. als Mutter, Enkel, Tante, als Erzieherin, Joggerin, Musikerin usw.). Sie würden sich mit bestimmten persönlichen Charakteristika (wie z. B. gesprächig, versorgend) und mit verschiedenen körperlichen Besonderheiten (wie z. B. beeinträchtigt, stark, attraktiv) identifizieren. Alle diese Aspekte gehörten auch zur Identität von Kindern. Die Gruppenidentitäten, die für die Anti-Bias-Arbeit besonders bedeutsam wären, würden sich vor allem auf ethnische Herkunft, Familienkultur, Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung/Beeinträchtigung beziehen.

Interkulturelle Öffnung
„Die Lösung liegt in einer Anerkennung von Heterogenität bzw. in einer Wert-schätzung der Vielfalt. Die ethnische kulturelle und religiöse Vielfalt darf nicht allein als gesellschaftliche Realität anerkannt, sondern muss vor allen Dingen als Chance begriffen und genutzt werden. Eine interkulturelle Öffnung der gesamten Gesellschaft ist hier unabdingbar.“
(Rapti 2013, S. 89)

Ziele und didaktische Prinzipien
Die auf Kinder bezogenen Ziele des Ansatzes sind (Ista 2004, S. 22):

  • Jedes Kind muss Anerkennung und Wertschätzung finden, als Individuum und als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe. Dazu gehören Selbstvertrauen und ein Wissen um seinen eigenen Hinter-grund.
  • Auf dieser Basis muss Kindern ermöglicht werden, Erfahrungen mit Menschen zu machen, die anders aussehen und sich anders verhalten als sie selbst, sodass sie sich mit ihnen wohl fühlen und Empathie entwickeln können.
  • Das kritische Denken von Kindern über Vorurteile, Einseitigkeiten und Diskriminierung anzuregen, heißt auch, mit ihnen eine Sprache zu entwickeln, um sich darüber verständigen zu können, was fair und was unfair ist.
  • Von da aus können Kinder ermutigt werden, sich aktiv und gemein-sam mit anderen gegen einseitige oder diskriminierende Verhaltens-weisen zur Wehr zu setzen, die gegen sie selbst oder gegen andere gerichtet sind.

Ziele für Fachkräfte
Zu den vier Anti-Bias-Zielen für Kinder gibt es auch jeweils Ziele für Pädagoginnen und Pädagogen. Diese „geben einen hilfreichen Rahmen, um Selbstreflexion als fachliches Handeln zu entwickeln oder zu optimieren. Sie sind keine einfache Übertragung der Kinder-Ziele auf die Erwachsenenebene, sondern sie haben einen fachlichen Bezug“ (Ista 2004, S. 26):

  • Fachkräfte müssen sich ihrer eigenen Bezugsgruppenzugehörigkeiten bewusst werden und erkennen, welchen Einfluss diese auf ihr berufliches Handeln haben.
  • Für Fachkräfte geht es nicht allgemein um Erfahrungen mit kultureller Vielfalt. Sie sollen wissen, wie sie die unterschiedlichen Vorstellungen der Familien über Erziehung und Lernen in Erfahrung bringen können.
  • Fachkräfte müssen gegenüber den Diskriminierungen und Vorurteilen in ihrem Kindergarten, im Elementarbereich und allgemein in der Bildungspolitik kritisch sein.
  • Und sie brauchen die Fähigkeit, Dialoge über Diskriminierung und Vorurteile zu initiieren und am Laufen zu halten, denn das ist ihre Form aktiver Einmischung.

Die Gestaltung einer vorurteilsbewussten Lernumgebung spielt bei diesem Ansatz eine besondere Rolle.

Vorurteilsbewusste Bildung Vorschule Kindergarten

 

Checkliste für eine Anti-Bias-Umgebung:

  • Alle Kinder der Einrichtung sind mit Fotos repräsentiert.
  • Man sieht und erkennt, was einzelne Kinder interessiert und womit sie sich beschäftigen.
  • Bauwerke und Produkte der Kinder können besichtigt werden.
  • In der Kita finden sich Fotos von wichtigen Bezugspersonen der Kinder.
  • Es finden sich Hinweise auf die Familiensprachen aller Kinder.
  • In der Puppenecke gibt es ganz verschieden aussehende Puppen aller Hautfarben, auch nicht nur eine Puppe derselben Hautfarbe, sondern mehrere. Keine Puppensorte dominiert.
  • Bücher, Bilder, Spielmaterialien und CDs thematisieren wiederholt Mädchen und Jungen, Männer und Frauen, Menschen verschiedener Herkunft und Hautfarben sowie Kinder und Erwachsene mit Behinderungen. Sie sind dabei auch immer wieder bei Tätigkeiten wahrzunehmen, die nicht den Rollenklischees und anderen Zuschreibungen entsprechen.
  • In der Verkleidungs- und in der Puppenecke finden sich Gegenstände und Bekleidungsstücke, die aus unterschiedlichen Berufswelten und Kulturen stammen.
  • Beim Rundgang in der Kita entdeckt man Hinweise darauf, in welcher Umgebung die Kita sich befindet und welche Bezugsgruppen im Umfeld leben, denn die Dekoration und die Gestaltungselemente spiegeln Lebenserfahrungen der Kinder wider.
  • An mehrsprachigen Aushängen ist zu erkennen, dass die Kita daran interessiert ist, alle Eltern zu informieren und anzusprechen, auch diejenigen, die kein Deutsch verstehen.

(Henkys/Hahn 2003, S. 8 f.)

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