Konstruktive Konfliktbearbeitung basiert auf folgenden zentralen Annahmen (Fisher et al. 2009): Konflikte werden effektiver gelöst, wenn die Interessen und Bedürfnisse und nicht die Rechts- bzw. Machtposition herausgestellt werden.
Konflikte sollten nicht unter dem Aspekt von eigenem Gewinn und gegnerischem Verlust, sondern unter dem des anzustrebenden gemeinsamen Gewinns betrachtet werden. Die herkömmlichen Kommunikationsmuster der Drohung und Beschuldigung müssen durch kooperative Muster des Verstehens und Erklärens abgelöst werden. Die Drohung mit und die Anwendung von Gewalt wird ausgeschlossen. Die eigene Wahrnehmung und Interpretation der Ereignisse wird nicht absolut gesetzt, sondern einer Überprüfung und Korrektur unterzogen. Eine dritte Partei kann als Vertrauensinstanz für beide Seiten dazu beitragen, eine gemeinsame Sicht der Dinge zu erreichen, dabei muss jedoch der Wille zu einer kooperativen Lösung gegeben sein.
Was Kinder erwarten
- Kinder erwarten von Erzieherinnen und Erziehern,
- dass sie Konflikte in der Gruppe ernst nehmen, eingreifen, um Schwächere zu schützen und nach gemeinsamen Lösungen suchen.
- dass Kinder nicht bloßgestellt oder ausgeschlossen werden.
- dass sie Wege finden, gut zusammenzuarbeiten und gemeinsame Lösungen für Probleme zu finden.
Wenn man mit einem Konflikt gut umgehen will, sind zwei Voraussetzungen wichtig: Die Konfliktparteien müssen eine Lösung auch wollen und: Drohungen und Gewalt dürfen keinen Platz haben. Es gibt eine Reihe von Grundsätzen, die hierbei helfen können:
- Die Sachen klären, die Personen achten: Es ist in Konflikten wichtig, dass man die Sache, also das, worum es geht, von der Person trennt. Damit ist gemeint, dass man sich über den Streitpunkt zwar sehr aufregen kann, man aber nie den Respekt vor dem anderen verlieren darf.
- Grundbedürfnisse anerkennen: Grundbedürfnisse sind das, was Menschen wirklich zum Leben brauchen. Hierzu gehören nicht nur Essen, Trinken und Schlafen, sondern z. B. auch Sicherheit, Wert-schätzung und Respekt. Konflikte können dann gut bearbeitet wer-den, wenn die Grundbedürfnisse aller anerkannt und bei der Lösung berücksichtigt werden.
- Regeln vereinbaren: Nur darauf loszureden, kann leicht zu gegenseitigen Vorwürfen und Anschuldigungen führen. Deshalb ist es sinnvoll, Umgangsregeln zu vereinbaren, wie z. B. den anderen ausreden lassen und zuzuhören.
- Die Perspektive wechseln: Es gibt in einem Konflikt immer mehrere Wahrheiten: deine, meine und noch eine andere. Und jeder hat dabei aus seiner Sicht sogar Recht. Probleme können also immer aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden und sehen dabei immer verschieden aus. Durch die Brille des anderen zu schauen, also seinen Blickwinkel einzunehmen, ermöglicht es den anderen, eher zu verstehen und sich in ihn einzufühlen.
- Den eigenen Standpunkt überdenken: Wenn man unbedingt auf seinem Standpunkt beharrt, wird es zu keiner Lösung kommen können. Die Bereitschaft, den eigenen Standpunkt zu überdenken, ist bereits der erste Schritt für eine gemeinsame Lösung. Diese Bereitschaft ist keine Unsicherheit oder Schwäche, sondern zeigt den Willen zur Verständigung.
- Eine neutrale Umgebung suchen: Es ist nicht nur wichtig, dass man miteinander spricht, sondern manchmal auch, wo ein Gespräch statt-findet. Ein anderer Raum kann eine neue Begegnung ermöglichen. Oft gibt es auch eine feste Ecke oder eine Decke, die nur für Konfliktgespräche genutzt werden.
- Eine dritte Partei einschalten: Manchmal kommen die Streitenden allein nicht weiter. Hier kann es helfen, wenn eine andere Person dazu kommt. Diese Person kann Streitpunkte deutlich machen, die Gefühle der Streitenden benennen und mithelfen, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Solche Personen werden auch als Mediatoren oder Streitschlichter bezeichnet.
Damit Kinder lernen können, mit Konflikten zu Hause oder im Kindergarten gut umzugehen, bedarf es einer positiven Beziehung zu den Erwachsenen. Kinder müssen die Erfahrung machen, dass sie mit ihren Anliegen willkommen sind und akzeptiert werden. Kinder brauchen des Weiteren Vorbilder, die vorleben, wie Konflikte konstruktiv ausgetragen werden. Von besonderer Bedeutung ist die Bearbeitung von Konflikten, die an die psychischen Grundbedürfnisse der Kinder anknüpfen.
Kompromiss
Hört man Kindern genau zu, so ist das Ziel ihrer Diskussionen überraschender-weise nicht an erster Stelle die Lösung des anstehenden Konfliktes – der scheint inzwischen schon fast zweitrangig geworden zu sein –, sondern die Möglichkeit, auf seinen Kontrahenten Einfluss ausüben zu können. Man will miteinander ins Geschäft kommen, ohne einen Gesichtsverlust riskieren zu müssen. Erfolgreich ist, wer andere beeinflussen oder kontrollieren kann. Bei einem gelungenen Kompromiss nach Kinderart haben beide Parteien den Eindruck, dass sie genau dies erreicht haben: „Wenn Du mir das gibst, dann mach ich das!“ „Wenn Du das akzeptierst, akzeptiere ich das!“ Der ursprüngliche Konflikt ist wirklich sekundär geworden. (...) Die Strategie „Was krieg‘ ich dafür?“ klappt unter Kindern überraschend gut. (Haug-Schnabel 2009, S. 40)
Grundbedürfnisorientierte Konfliktbearbeitung
Im Kontext der Konfliktbearbeitung hat sich in den letzten Jahren zunehmend ein bedürfnisorientierter Ansatz entwickelt. Konfliktbearbeitung und Konfliktlösungen sollen sich demnach an den Grundbedürfnissen der Konfliktpartner orientieren. Nicht das, was vordergründig gefordert wird, sondern das, was eigentlich gebraucht wird, ist für eine tragfähige Lösung und Bearbeitung entscheidend.
Dieses Grundbedürfnismodell zählt neben den physischen Grundbedürfnissen vier psychische Bedürfnisse: Das Bedürfnis nach Bindung, Kontrolle und Orientierung, Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz sowie nach Lustgewinn (vgl. Klemenz 2011, S. 266).
Wendet man das Modell der psychischen Grundbedürfnisse auf den Bereich der Konfliktbearbeitung an, so ergibt sich folgendes Bild:
- Befriedigung des Kontrollbedürfnisses: Konflikte werden durch die Konfliktpartner selbst gelöst. Eingeübte Abläufe und Rituale vermitteln Sicherheit.
- Befriedigung des Bedürfnisses nach Lustgewinn: Vielfältige Problem-lösungen zu finden, kann etwas Lustvolles sein. Hier sind Kreativität und Phantasie gefragt. Einen Konflikt zu beenden und beiseite zu legen, hat etwas Erleichterndes.
- Befriedigung des Bedürfnisses nach Selbstwerterhöhung: Das Gefühl, so wichtig und ernst genommen zu werden, dass Lösungen nicht vorgegeben, sondern gemeinsam gesucht und verhandelt werden, stärkt das Selbstbewusstsein und den Selbstwert.
- Befriedigung des Bindungsbedürfnisses: Erzieherinnen, die in schwierigen Situationen präsent sind und Konfliktbearbeitungsprozesse begleiten stärken Bindungen. Auch unter Kindern kann die Erfahrung, etwas gemeinsam gemeistert zu haben, Bindungen stärken. Gerade auch Rituale haben Bindungskraft.
Stufen der Konfliktbearbeitung bei Kindern
Kinder regeln das Geschehen im Wesentlichen mit Körpersprache. Die Körpersprache ist die erste „Muttersprache“ aller Kinder, das heißt auch, Auseinandersetzungen finden (nur) auf dieser Handlungsebene statt!
Auseinandersetzungen verlaufen hauptsächlich körperlich, aber verbunden mit ausdrucksstarker Sprache (Worte können auch gewalttätig sein).
Der Konflikt wird auf sprachlicher Ebene angegangen, die Austragung verlagert sich dann jedoch auf die körperliche Ebene.
Kinder tragen einen Konflikt stark sprachlich aus, Argumente werden von den Beteiligten verstanden und akzeptiert. Aus dem nicht direkt involvierten Umfeld werden Lösungsvorschläge vorgebracht und eine erneute Diskussion aller Beteiligten bringt eine Klärung.
Welche Rolle der Beobachter in Konfliktsituationen spielt, hängt davon ab, wie er von den Kindern einbezogen wird oder ob und wann er von sich aus eingreift. Stadt Frankfurt a.M., Dezernat für Bildung, Umwelt und Frauen (Hrsg.): Umgang mit Konflikten in Kita und Elternhaus. Frankfurt a.M. 2003, S. 14.