Was als Gewalt in Medien bezeichnet wird, hängt davon ab, von welchem Gewaltverständnis man ausgeht und ob ein eher enger oder weiter Gewaltbegriff angelegt wird. In der Regel wird mit Gewalt in den Medien die Abbildung physischer Gewalt (schlagen, stechen, schießen) verstanden, nicht jedoch z. B. Unterdrückung und Diskriminierung oder Missbrauch von Macht.
Gewalt ist in den fiktionalen und den realen Medieninhalten in allen Varianten und Darstellungsformen zu finden. Der „Gewaltgehalt“ der einzelnen Fernsehprogramme ist als unterschiedlich hoch einzuschätzen. Studien ergaben, dass in privaten Sendern ein höherer Gewalt-anteil zu finden ist als im öffentlich-rechtlichen Bereich. Dieser zeigt Gewalt vor allem in Informationssendungen.
Ein wichtiger Teil der Gewaltdarstellungen in Bildschirmmedien betrifft kollektive Gewalt in Form von Kriegen, Kriegsnachrichten, Kriegsfilmen und Kriegscomputerspielen. Zur Machart gehören dabei auch ausgeprägte Feindbilder.
Die Probleme der Gewaltdarstellungen sind jedoch nicht so sehr die einzelnen Sender und Sendungen, sondern das Weltbild, das Medien vermitteln. Dieses kann Kinder nicht nur überfordern, sondern macht ihnen oft auch Angst.
Nutzung mobiler Medien
Wann lassen Eltern ihre 4–5-jährigen Kinder mobile Medien (Smartphone, Tablet-PC) nutzen:
- um Wartezeiten zu verkürzen z. B. im Restaurant, auf Autofahrten (54,9 %)
- zum Zeitvertreib (40,6 %)
- um dem Kind etwas zu erklären oder zu zeigen (31,3%)
- als Belohnung (24,6 %).
(IZI 2012, S. 61)
Erkenntnisse der Medienwirkungsforschung
Inzwischen existiert eine kaum noch zu überschauende Anzahl an Studien zur Erforschung des Zusammenhangs zwischen Gewaltdarstellungen und realem Gewalthandeln. Einfache Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge werden dabei kaum mehr gesehen.
In Form von Metastudien liefert Michael Kunczik seit vielen Jahren Überblicke über die bisherigen Ergebnisse von Wirkungsstudien. Die Ergebnisse sind nicht immer eindeutig und immer wieder auch widersprüchlich. Die bisherige Forschung spricht jedoch dafür, dass folgende Personenvariablen mit stärkeren Effekten von Mediengewalt einhergehen können (Kunczik 2011, S. 9 ff.):
- männliches Geschlecht (v.a. wegen der Präferenz für gewalthaltige Inhalte)
- Alter, in dem violente Handlungsabläufe nachvollzogen und verstanden werden können, es aber noch an einem System von Verhaltens-mustern und Wertvorstellungen zu deren Einordnung und Relativierung fehlt
- aggressive Prädispositionen
- hoher Risiko- und Erregungsbedarf (Sensation-Seeking)
- soziales Umfeld (Familie, Freundeskreis) mit hohem Medien(gewalt) -konsum und ausgeprägtem Gewaltverhalten, das die Angemessenheit in den Medien gezeigter violenter Verhaltensweisen zu bestätigen scheint (Effekt der „doppelten Dosis“).
In Bezug auf inhaltliche Faktoren ist festzuhalten, dass der Kontext dargestellter Gewalt von größerer Bedeutung ist als deren Menge. Ein erhöhtes Risikopotenzial ist bei Mediengewalt mit folgenden Charakteristika anzunehmen:
- die Darstellung von Gewalt erscheint als gerechtfertigt
- die Gewalt wird durch attraktive, identifikationsträchtige Protagonisten ausgeübt
- Belohnung bzw. fehlende Bestrafung gewalttätigen Verhaltens
- Ausblendung negativer Folgen für das Opfer.
Für Kinder, die im realen Leben Gewalt beobachten oder ihr ausgesetzt sind, besitzen gewalthaltige Medieninhalte eine besondere Anziehungskraft, da diese durch die erlebte Realität als normal und angemessen eingeschätzt werden, stellen Kunczik und Zipfel fest (2006, S. 11, 162).
Michael Kunczik bilanziert in seinem Forschungsbericht über Medien und Gewalt den Forschungsstand so (2011, S. 13): „Das Gesamtmuster der Befunde spricht dafür, dass Mediengewalt einen Einfluss auf die Aggression der Rezipienten haben kann, der Effekt allerdings allenfalls als moderat einzuschätzen ist und violente Mediendarstel-lungen nur einen Faktor in einem komplexen Geflecht von Ursachen für die Entstehung von Gewalt darstellen. Hieraus folgt auch, dass einfache Lösungen, die nur an einer Stelle (wie z. B. dem Konsum violenter Computerspiele) ansetzen, zu kurz greifen. (...) Doch Kinder und Jugendliche sind nicht nur mit Gewalt in den Medien konfrontiert, sondern in einem erheblichen Umfang auch mit realer selbst erlebter, beobachteter oder ausgeübter Gewalt.“
Doch Medien nur auf ihre Auswirkungen auf mögliche direkte Aggressionshandlungen zu diskutieren, wird dem Problembereich nicht gerecht, es gibt noch weitere mögliche Folgen.
Problematisch
Problematisch sind für einen vermutlich großen Teil der Jungen die Nutzungsdauer (zu viel), die Bedeutung der Medien im Alltag (zu hoch), die Art der genutzten Inhalte (nicht altersgemäß) sowie die wechselseitige Potenzierung dieser Einflussgrößen. (...) Als psychisch riskant zumindest für einen Teil der Jungen kann die Überforderung durch den Konsum nicht altersgemäßer Spiele und Inhalte gelten. (Neubauer/Winter 2013, S. 123)
Emotionale Überforderung
Eine oft unterschätzte Wirkung von Gewaltdarstellungen ist die Gefahr der Traumatisierung durch überwältigende Bilder und Szenen, die Kinder so stark emotional überfordern, dass diese Eindrücke nicht verarbeitet werden können.
Gerade Kleinkinder können die oft überfallartigen und ekel erregenden Szenen nicht verkraften. Es entstehen Angstgefühle, die seelische Verwundungen und Belastungen hervorrufen können. Schockähnliche Reaktionen, Schlaflosigkeit oder Angst zustände können die Folgen sein. Die Eindrücke auf ihr Gefühl wirken bei Kindern tiefer und länger als die dargestellten Inhalte.
Einseitige Weltbilder
Mediale Einflüsse wirken sich auch darauf aus, was als normal und selbstverständlich gesehen wird. Sie beeinflussen also auch das Welt-verständnis und die Weltbilder bis hin zu Normen und Wertvorstellungen. Dabei ist auch die Werbung von besonderer Bedeutung. Insbesondere das Bild und die Rolle von Frauen und Männern werden stark durch die Mediendarstellungen geprägt. Untersuchungen zeigen, dass gerade auch im Kinderfernsehen ein verzerrtes Bild der Welt gezeigt wird (vgl. Hofmann 2012). So spielen nach wie vor Männer häufiger die Hauptrollen in den Medien als Frauen. Mit insgesamt 64 % sind fast zwei Drittel der Hauptfiguren im Kinderfernsehen männlich. Bei den Tieren, die gut ein Viertel der Figuren ausmachen, sind bereits drei von vier Figuren männlich. Menschen mit Migrationshintergrund sind deutlich unterrepräsentiert und das Thema Behinderung wird im Kinderfernsehen nur am Rande thematisiert.
Die Darstellung von Armut ist selten zu beobachten. Nur zwei Prozent der Figuren leben in erkennbar unterdurchschnittlichen Verhältnissen. „Die weitest gehende Ausschließlichkeit von Mittel- und Oberschicht-milieus und die eindeutige Unterrepräsentanz von weniger gut situierten Wohn- und Lebensverhältnissen ist als deutlicher Mangelpunkt in der Qualität des Kinderfernsehens zu sehen.“ (ebd., S. 4)
Die Frage, welche Darstellungsformen in den Medien angemessen bzw. (noch) erlaubt sein sollen, lässt sich nicht nur unter dem Aspekt der möglichen Wirkung diskutieren. Es erscheint notwendig, auch medienethische Gesichtspunkte einzubeziehen. Dabei geht es um die Würde des Menschen und die Respektierung von universellen und kulturellen zentralen Rechten und Werten.
Märchen und Gewalt
Märchen sind Geschichten besonderer Art. Oft verdichten sie Volksweisheiten, die in symbolischer Weise individuelle und kollektive (innere) Entwicklungsprozesse darstellen. Sie beschreiben dabei nicht „heile Welten“, sondern oft genug die Welt der Schurken, Könige und Prinzessinnen, der Hexen, Räuber und Mörder. Sie greifen dabei existentielle Lebensfragen und Probleme auf.
In Märchen ist Gewalt an der Tagesordnung. Da werden Tiere und Menschen verstümmelt oder entzwei gerissen, werden von Vögeln Augen ausgehackt und von Menschen Prügel ausgeteilt. Diese Gewalt wird jedoch nicht um ihrer selbst willen beschrieben, nicht als Spannungsmoment missbraucht oder lustvoll ausgemalt. Gewaltdarstellungen sind in Märchen nie Selbstzweck. Sie zeigen Aspekte der Wandlung und der innerseelischen Reifung. Sie sind deshalb auch ein Teil der Auseinandersetzung mit der eigenen Person und werden von Kindern auch so verstanden.
Kinder benötigen bei Märchen keine Erklärungen oder Interpretationen. Sie verstehen diese intuitiv und erfahren deren heilende Wirkung. „Anders als jede sonstige Literatur führen die Märchen das Kind zur Entdeckung seiner Identität und seines Lebenssinns“, meint Bruno Bettelheim.
Medien und Spracherwerb
Das Erlernen der Mutter-sprache beruht in hohem Maße auf sozialer Interaktion wie dem Augenkontakt mit den Eltern. Die Augen vieler Babys kleben so fest am Bildschirm, dass sie noch nicht einmal ihre Eltern beachten. Trotzdem zeigen Tests, dass die Kinder nichts lernen. Als Eltern ihren 8–16 Monate alten Kindern beispielsweise täglich vorlasen, verbesserte sich deren Ergebnis in einem Sprachtest um sieben Punkte. Im Gegensatz dazu nahm das Resultat mit jeder Stunde, die ein Kind pro Tag DVDs schaute, um 17 Punkte ab. (Gigerenzer 2013, S. 330)
Bewegungsmangel und Spannungsaufbau
Kinder spüren einen permanenten Bewegungsdrang. Medienkonsum ist jedoch i.d.R. mit längerem Stillsitzen verbunden. Gleichzeitig vermitteln viele Sendungen oder Spiele einen langsamen Spannungsaufbau, den Kinder auch schätzen und wollen. Ist er doch mit der Chance verbunden, z. B. in einem Spiel gewinnen zu können und so ein Gefühl der Befriedigung und Selbstbestätigung des eigenen Könnens zu erreichen (Zimmer 2009). Zimmer stellt fest, dass diese Spannung im Spiel oder beim Fernsehschauen nicht abgebaut werden könne und so Stress erzeugen würde. Wichtig sei es deshalb, darauf zu achten, dass Kinder sich ausreichend (möglichst im Freien) bewegen.
Verdrängung
Als ein wichtiger Effekt der Wirkung von Medien wird heute die „Verdrängung“ von anderen (bewegungsorientierten) Tätigkeiten durch die Nutzung von Medien gesehen, „nach der realweltliche Erfahrungen sowohl im Erkunden der Umgebung als auch insbesondere im Kontakt mit anderen Menschen durch den Konsum von Bildschirmmedien zeitlich verdrängt werden“ (Bleckmann u.a. 2013, S. 8).