Konfliktfähigkeit fördern

Sensibilisierung der Wahrnehmung
Konfliktfähigkeit beginnt bei der differenzierten Wahrnehmung des Geschehens. Für Erzieherinnen und Erzieher bedeutet dies, einen Konflikt als solchen zu erkennen und gleichzeitig abzuschätzen, ob ein Ein-greifen notwendig ist oder die Kinder die Situation selbst meistern können.

Auf Seiten der Kinder ist es notwendig, absichtliche Handlungen von Zufällen unterscheiden zu lernen und Handlungsabläufe differenziert zu erfassen. Wahrnehmung bedeutet immer auch, die eigenen Empfindungen und Gefühle in der Situation und die damit verbundenen Handlungsimpulse zu erkennen. Dabei ist stets zu beachten, dass jede Wahrnehmung interessengeleitet ist und Verzerrungen und Täuschungen unterliegt.

Gewaltfreie Kommunikation
Gewaltfreie Kommunikation geschieht in vier Stufen:

1. Beobachtungen: Wir beobachten, was geschieht und beschreiben dies, ohne zu bewerten und zu beurteilen.

2. Gefühle: Wir drücken aus, was wir fühlen, wenn wir dies beobachten.

3. Bedürfnisse: Wir sagen, welche Bedürfnisse hinter diesen Gefühlen stehen.

4. Bitten: Wir drücken das, was wir von anderen wollen und diese konkret tun können, als Bitte aus.

(Rosenberg 2002, S. 21)

Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit
Konfliktfähigkeit fördernGelungene Kommunikation ist der Schlüssel zur Konfliktbearbeitung. Kinder kommunizieren vor allem nonverbal. Handeln kommt in den meisten Fällen vor dem verbalen Aushandeln. Körpersprache ist direkter und eindeutiger als Worte, wenngleich sie immer wieder von neuem entschlüsselt werden muss. Kommunikationsfähigkeit zu verbessern, heißt zunächst, die nonverbalen Interaktionsformen der Kinder zu verstehen, aber auch, die verbalen Möglichkeiten auszuweiten. Dabei spielt im Kontext von Konflikten die Perspektivenübernahme, also das Hineinversetzen in die Situation des anderen, eine wichtige Rolle.

Anerkennung, Wertschätzung und das Bemühen um ein Verstehen des Gegenübers sind die Grundlagen des Konfliktgesprächs. Ein Streit kann für beide Seiten gut ausgehen, wenn offen und ehrlich miteinander geredet wird. Wenn man nachfragt, wenn man etwas nicht verstanden hat und dabei auch der anderen Seite aufmerksam zuhört.

Zur Kommunikationsfähigkeit gehört auch eine differenzierte Beschreibung des Geschehens, beziehungsweise die Darstellung der eigenen Sichtweise. Was ist geschehen? Wer war wie beteiligt? Warum ist es genau so abgelaufen? Was waren meine Anteile dabei? Solche und ähnliche Fragen ermöglichen eine differenzierte, nicht wertende Beschreibung von Handlungsabläufen. Im Rahmen eines Konfliktgesprächs können solche Klärungen vorgenommen werden. Ein solches Konfliktgespräch kann gelingen, wenn man z. B. folgende Regeln beachtet:

  • Höflich sein, auch wenn es schwer fällt. Hierzu gehören auch, sich zu begrüßen und zu verabschieden.
  • Den anderen beim Reden anschauen.
  • Von sich selbst reden, in Ich-Form reden.
  • Die eigenen Gefühle beschreiben.
  • Sachlich bleiben, den anderen nicht beleidigen, verletzen oder pro-vozieren.
  • Am Thema bleiben, nicht abschweifen.
  • Den anderen zu Wort kommen lassen.
  • Den anderen ausreden lassen und zuhören.
  • Sich bemühen, den anderen zu verstehen.
  • Die Meinung des anderen respektieren.
  • Bitten und Wünsche formulieren.
  • Nach Gemeinsamkeiten suchen.

Darüber zu sprechen, wie man spricht, also die bewusste Auseinandersetzung darüber, wie Streitende miteinander umgehen und welche Gefühle sie beim anderen auslösen (Metakommunikation), ist ein wichtiger Beitrag zur Konfliktlösung und kann mit zunehmendem Alter auch bei Kindern einbezogen werden.

Wie sollen Erzieherinnen und Erzieher auf Konflikte zwischen Kindern reagieren?
Sollen sie ...

  • sich raushalten?
  • die Streitenden trennen?
  • selbst die Lösung bestimmen?
  • die Kinder zur eigenen Lösung ermutigen?
  • den Schwächeren unter-stützen?
  • Lösungsrituale einsetzen?
  • „Der Klügere gibt nach.“ sagen?

Konfliktfähigkeit fördernMit Emotionen umgehen können
In einem Konflikt spielen Gefühle eine zentrale Rolle. Man fühlt sich provoziert, missverstanden und ungerecht behandelt. Gefühle sind bedürfnisspezifische Empfindungen. Starke Gefühlsregungen treten dann auf, wenn Grundbedürfnisse nicht befriedigt oder verletzt werden. Der gekonnte Umgang mit eigenen und fremden Gefühlen stellt einen hohen Schutzfaktor gegen Gewalt dar (Haug­Schnabel 2005). Konflikt¬ und Gewaltsituationen sind oft äußerst emotionale Auseinandersetzungen, in denen negative Gefühlsäußerungen zum Durchbruch kommen. Eigene und fremde Gefühle richtig zu erkennen und sie bewerten zu können, sind zentrale Aspekte des konstruktiven Umgangs mit Konflikten. Dies betrifft die Kinder gleichermaßen wie Eltern und Erzieherinnen und Erzieher. „Die Fähigkeit, Mitgefühl und Empathie zu empfinden, beruht darauf, dass unsere eigenen neuronalen Systeme – spontan und unwillkürlich – in uns jene Gefühle rekonstruieren, die wir bei einem Mitmenschen wahrnehmen.“ (Haug­Schnabel 2005) Diese Spiegelneuronen gehören zwar zur Grundausstattung des Menschen, werden jedoch nur durch zwischenmenschliche Beziehungen aktiviert. Nur wenn ein Kind eigene Wertschätzung erfährt, kann es auch andere wertschätzend behandeln.

Zum Umgang mit eigenen und fremden Emotionen gehört, auch zu wissen, was mich selbst (in Konfliktsituationen) provoziert, wie ich andere provoziere und vor allem auch, wie ich wieder „abkühlen“ kann. Hier sog. Copingstrategien für Stresssituationen zur Verfügung zu haben, ist für einen guten Umgang mit Konflikten unentbehrlich. Dabei muss man auch lernen, mit schwierigen Gefühlen wie Wut, Ärger, Trauer, Hass oder Angst umzugehen.

Konfliktfähigkeit im Kindergarten fördern

Regeln

  • von sich selbst reden, in Ich-Form reden („Ich möchte dir erzählen, dass ...“)
  • sachlich bleiben, den anderen nicht beleidigen, verletzen oder provozieren („Wenn du so laut redest, verstehe ich dich schlecht ...“)
  • die Bedürfnisse des anderen anerkennen („Ich verstehe, dass du traurig bist.“)
  • am Thema bleiben, nicht abschweifen („Das ist jetzt etwas anderes.“)
  • den anderen ausreden lassen, zuhören („Bitte nicht dazwischen reden ...“)
  • nach einer gemeinsamen Lösung suchen („Was könnten wir alle dazu bei-tragen, das Problem zu lösen?“)
  • sich an die vereinbarten Regeln halten („Jeder sollte sich an die Regeln halten.“)

Lösungsschritte kennen
Bei der Lösung von Konflikten hilft es, wie bei einer Leiter, die man besteigt, aufeinanderfolgende Schritte zu beachten. Die Amerikanerin Susan Fountain (1996, S. 156) hat sechs solcher Schritte zur Lösung von Konflikten formuliert:

  • Was wollen die Streitenden? Jede Person, die an dem Konflikt beteiligt ist, sollte für sich klären, was sie wirklich erreichen will und was ihre eigentlichen Bedürfnisse sind.
  • Was ist das Problem? Gemeinsam soll herausgefunden werden, was in diesem Fall das eigentliche Problem ist.
  • Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Für Konflikte gibt es nicht nur eine Lösung, sondern viele Lösungen. Gemeinsam sollten diese gefunden und zunächst auf einem Blatt Papier notiert werden.
  • Welche Lösungen kommen in Frage? Jetzt werden die vorgeschlagenen Lösungen bewertet. Jede Seite geht die Liste der Vorschläge durch und sagt, welche Lösungen für sie denkbar wären.
  • Welches ist die gemeinsame Lösung? Wenn beide Seiten einer Lösung zustimmen können, ist das Problem gelöst.
  • Funktioniert die Lösung? Die Lösung sollte nach einiger Zeit über-prüft werden, damit das Problem nicht von Neuem auftaucht.

Eine gute Lösung finden
Eine gute Lösung berücksichtigt die Interessen und Bedürfnisse aller und bringt deshalb auch Vorteile für alle. Man bezeichnet dies häufig auch als „Win­Win­Situation“, um damit auszudrücken, dass dabei beide Seiten gewinnen.

Selbstverständlich sollte eine gute Lösung fair sein. Sie darf niemanden bevorzugen oder benachteiligen, und sie darf auch nicht vom Stärkeren bestimmt werden. Alle müssen der Lösung zustimmen können. Wichtig ist, dass eine Lösung sich auch in der Zukunft bewährt. Schlechte Lösungen sind oft Anlass für neue Konflikte. Gute Lösungen verhindern neue Konflikte.

 

Was Kinder beim Streiten lernen können

  • Eine Sache kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet werden.
  • Andere Kinder fühlen anders, reagieren anders, müssen anders behandelt werden, um mit ihnen spielen zu können.
  • Spielregeln müssen eingehalten werden.
  • Die eigene Meinung kann auch gegen Widerstände durchgesetzt werden.
  • Die eigenen Fähigkeiten können ausprobiert werden, und die eigene Rolle muss innerhalb der Gruppe gefunden und verteidigt werden.
  • Man kann sich als Verursacher von Streit erleben.
  • Man kann Misserfolge erleben und mit Ängsten zurechtkommen.
  • Um situationsangepasste Lösungen muss manchmal gestritten werden.
  • Man muss auch verlieren lernen.

Margarete Blank-Mathieu: Die Bedeutung von Kinderfreundschaft und Kinderstreit für die Identitätsentwicklung. Theorie und Praxis der Sozialpädagogik (TPS) 1996, Heft 4. www.kindergartenpaedagogik.de/1266.html

 

Ob dies mit der gefundenen Lösung möglich ist, kann man z. B. daran erkennen, wenn man überlegt und prüft, wie es wäre, wenn alle so handeln würden, wie man es selbst tut.

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