Mediengewalt: Nicht ungefährlich, aber nur einer von mehreren Gründen für gewalttätiges Verhalten
Die Studie „Medien und Gewalt“ von Michael Kunczik und Astrid Zipfel zeigt eindeutig: Die Annahme, dass Gewalt in Film und Fernsehen generell ungefährlich sei, wird heute in der Wissenschaft fast nicht mehr vertreten. Die früher diskutierte Auffassung, dass der Konsum von Gewaltfilmen oder das Ballern mit virtuellen Waffen in Computerspielen zu einem unschädlichen Abreagieren und damit zu einer Abnahme aggressiver Neigungen führt (Katharsistheorie), gilt als widerlegt.
Kunczik und Zipfel stellen aber auch fest: Mediengewalt stellt nur einen Faktor innerhalb eines komplexen Bündels von Ursachen für die Entstehung gewalttätigen Verhaltens dar. Negative Medieneinflüsse können durch ein positives soziales Umfeld aufgefangen werden, negative Erfahrungen im sozialen Nahraum (z.B. Gewalterfahrungen in der Familie) durch negative Medieneinflüsse deutlich verstärkt werden.
Daraus ergibt sich: Nicht jede(r) Heranwachsende, die/der einen Video- oder Fernsehfilm sieht oder ein Computerspiel spielt, ist in gleicher Weise durch die erlebte Mediengewalt beeinflussbar. Bestimmte Inhalte können auf bestimmte Menschen auch dann eine große Wirkung haben, wenn sie bei der Mehrzahl der Zuschauerinnen und Zuschauer keine Verhaltensänderung bewirken.
Medienwirkung hängt von sozialen und persönlichen Bedingungen ab
Die persönlichen Eigenschaften der Heranwachsenden (z.B. Aggressivität) sowie deren Erfahrungen im sozialen Umfeld (Gewalt in der Familie etc.) beeinflussen nicht nur die Verarbeitung von Gewaltdarstellungen, sondern schon deren Wahrnehmung. Auswirkungen auf die Gewaltbereitschaft sind am ehesten bei jüngeren, männlichen Vielsehern zu erwarten, die in Familien mit hohem Medien(gewalt)konsum aufwachsen und in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld (d.h. in Familie, Clique) viel Gewalt erleben. Gewalt wird so als ein „normaler“ Problemlösungsmechanismus erfahren. Wenn die Heranwachsenden zudem bereits eine Persönlichkeit mit hoher Gewaltbereitschaft besitzen und Medieninhalte konsumieren, in denen Gewalt als etwas Positives oder Selbstverständliches dargestellt wird, dann ist sehr stark mit gewalttätigem Verhalten zu rechnen.
Mediengewalt ist nicht gleich Mediengewalt
Mediale Inhalte sind insbesondere dann als problematisch einzuschätzen und erhöhen das Risiko der Anfälligkeit für gewalttätiges Verhalten, wenn in ihnen
- Gewalt auf sehr realistische Weise dargestellt wird,
- Gewalt in humorvollem Zusammenhang gezeigt wird,
- Gewalt gerechtfertigt erscheint,
- Gewalt von attraktiven „Heldinnen“ bzw. „Helden“ mit hoher Identifikationskraft ausgeht,
- Gewalt von Handelnden ausgeht, die erfolgreich sind und für ihr Handeln belohnt bzw. zumindest nicht bestraft werden,
- dem Opfer kein sichtbarer Schaden zugefügt wird („saubere Gewalt“).
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien http://www.bundespruefstelle.de/bpjm/Orientierung-im-Medienalltag/Strittige-Medieninhalte/ begruendete-sorgen,did=65796.html