Häusliche Gewalt
Häusliche Gewalt führt zu einem erhöhten Risiko, dass es auch zu tätlicher Gewalt und Vernachlässigung von Kindern kommt. Gewalterfahrungen von Kindern haben eine langfristig risikoerhöhende Wirkung auf ihre Entwicklung. Sie sind in besonderer Weise gefährdet, suchtkrank zu werden, sich zu prostitutieren, von Zuhause wegzulaufen, sich umzubringen oder kriminell zu werden.
Die Sozialschädlichkeit innerfamilialer Gewalt liegt zudem in der intergenerationalen Übertragung. Frauen, die als Kinder bereits Partnergewalt beobachten mussten ober selbst misshandelt wurden, haben ein vielfach erhöhtes Risiko als Erwachsene Opfer häuslicher Gewalt zu werden. Unter den Tätern häuslicher Gewalt sind entsprechend viele mit eigenen Misshandlungserfahrungen und dem Beobachten von Partnergewalt. Wer Gewalt in der Kindheit erfährt, reinszeniert gewaltvolle Beziehungen nicht nur im Erwachsenenalter, sondern häufig schon im Kinder- und Jugendalter. Gewalteskalationen unter männlichen Jugendlichen, die eine typische Indikation z.B. für Erziehungshilfe darstellen, sind oft Ausdruck von Gewalterfahrungen im frühen Kindesalter.
Bewältigungsstrategien bei Jungen und Mädchen
Untersuchungsergebnisse zeigen, dass sich die Auswirkungen der Gewalterfahrungen bei Jungen und Mädchen unterscheiden, auch wenn sie vergleichbar fatale Folgen haben. Da es sich bei Gewalt im innerfamilialen Bereich um eine meist lang andauernde und stark belastende Situation für die betroffenen Kinder handelt, sind vereinzelte Bewältigungs- und Überlebensstrategien aus der Geschlechterforschung durchaus übertragbar:
Mädchen neigen demnach mehr zu nach innen gerichteten Strategien. Innerer Rückzug und Abschottung, autoaggressives Verhalten und Anorexie als massivste Form der Essstörungen kann man als „typisch“ weibliche Verhaltenswiesen in derartigen Stresssituationen betrachten. Jungen zeigen nach außen gerichtete Verhaltensweisen, wie körperliche Auseinandersetzungen, Gewaltinszenierungen, Austesten körperlicher Grenzen, Schul- und Leistungsprobleme und übermäßige Orientierung an sozialen Bezugssystemen außerhalb von Schule und Familie. Sie reagieren mit erhöhter Gewaltbereitschaft und sind gefährdet, selbst Täter zu werden.
Luise Hartwig: Auftrag und Handlungsmöglichkeiten der Jugendhilfe bei häuslicher Gewalt. In: Barbara Kavemann / Ulrike Kreyssig (Hrsg.): Handbuch Kinder und häusliche Gewalt. Wiesbaden 2006, S. 170 f.