Die Zahl der Minderjährigen, die sich sexuell an Kindern und Jugendlichen vergehen, steigt rapide an. Laut Kriminalstatistik hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die eines Sexualdelikts verdächtig werden, bundesweit seit 1993 mehr als verdoppelt. Experten schätzen, dass mittlerweile jeder fünfte Fall von Kindesmissbrauch, der bekannt wird, auf das Konto eines minderjährigen Täters geht. In einem nordrhein-westfälischen Modellprojekt werden als Ursachen genannt:
Sexueller Missbrauch konfrontiert betroffene Kinder und Jugendliche mit einem kaum zu bewältigenden Gefühlschaos von Scham, Schuld, Ekel, absoluter Hilflosigkeit und Angst. Die Überlebensstrategien, die es ihnen ermöglichen, eine andauernde Missbrauchssituation oder eine Vergewaltigung auszuhalten, prägen sich häufig tief ein. Sie bestimmen ihr Leben als (junge) Erwachsene weiter. Eine Vielzahl von Folgen kann sie über das Kindes- und Jugendalter hinaus durch ihr Leben begleiten. Diese reichen von Schlafstörungen, körperlichen Verletzungen und Krankheiten, Zweifeln an der eigenen Wahrnehmung bis hin zu psychischen Erkrankungen. Es kann auch zur sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) kommen, einer besonderen Form von psychischen Störungen, unter denen beispielsweise häufi g auch Kriegs- und Folteropfer leiden.
Es gibt keine Patentrezepte zum Schutz vor sexuellem Missbrauch. Kinder zu stärken, Erwachsene für das Thema zu sensibilisieren, ein verantwortungsvoller Umgang mit Sexualität in Institutionen und die Information der Öffentlichkeit über Vorkommen und Zusammenhänge sind jedoch wichtige Schritte. Das Ziel von Prävention ist die Vorbeugung und letztlich die Verhinderung von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen. Weitere Ziele sind die Beendigung akuter Übergriffe, der Schutz des Kindes vor weiteren Gewalthandlungen und die Minimierung fortgesetzter Traumatisierungen.
Erfahrungen und Evaluationsergebnisse
Keine falsche Stärke vorgaukeln
Präventive Arbeit mit Kindern muss sorgsam darauf bedacht sein, Kindern nicht mit rhetorischen Mitteln (Appelle) eine Stärke einzureden, die sie im Alltag und in der realen Situation, beispielsweise in einem dysfunktionalen Familiensystem oder in einem gesellschaftlichen System, das Kindern kaum erlaubt, „ungehorsam“ zu sein, nicht haben. Welche Chancen hat ein betroffenes Kind, den Missbrauch durch ein kräftiges „Nein“ zu beenden, wenn der Misshandler eine der wichtigsten Bezugspersonen des Kindes ist, die es überlebenswichtig braucht?
In den letzten Jahren sind eine Reihe von Vorbeugeprogrammen gegen sexuellen Missbrauch entwickelt worden. Diese sind jedoch nicht ohne Kritik geblieben. So referiert z.B. Günther Deegener die entscheidenden Kritikpunkte an solchen Programmen: